VBB Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr e.V.
Task Force BeschO: Ergebnisoffene Analysen unerwünscht; Expertenrat sieht Ergebnisse der Task Force als nicht tragfähig an
Bonn (ots)
Kurz vorneweg: Bereits im Februar 2018 taucht ein Arbeitspapier mit dem Titel "Projekt Pfeil" aus dem Verteidigungsministerium in den Medien auf, worin u.a. eine Zerschlagung und Privatisierung des BAAINBw (als DER Rüstungsbeschaffer) thematisiert wird.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 12. März 2018 wird u.a. vereinbart, dass zu untersuchen sei, "(...) in welcher Weise die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr an ihren Standorten angepasst werden sollte".
Das Verteidigungsministerium setzt daraufhin eine Task Force Beschaffungsorganisation (BeschO) ein, die diesen Regierungsauftrag auf "das BAAINBw und seine Dienststellen sowie Schnittstellen" beschränkt.
Dies greift aus Sicht des Verbandes der Beamten der Bundeswehr e.V. (VBB) bereits zu kurz, da das Rüstungswesen viel zu komplex ist, um sich hierauf zu begrenzen. Rüstung und Nutzungssteuerung von Wehrmaterial muss - um valide Ergebnisse liefern zu können - stets im Gesamtkontext betrachtet werden, d.h. von den strategischen Ausrichtung der Aufgaben der Bundeswehr über die Bedarfsermittlung bei den Streitkräften und dem Planungsprozess weiter zur Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs und dem amtlichen Projektmanagement bis hin zur Lösungsrealisierung durch die freie Wirtschaft. Darüber hinaus bedarf es der Berücksichtigung von internationalen Vereinbarungen, Märkten, Vergabe-, Haushalts-, Preis- und Verwaltungsrecht.
Es stellt sich für den VBB zudem die Frage, ob die selbst auferlegten Denkverbote nur ein Ziel hatten - "alte Pläne" (Projekt Pfeil) aus der Schublade ziehen zu können UND nicht die wirklichen Hinderungsgründe für eine nachhaltige Effizienzsteigerung der Bundeswehr in den Mittelpunkt stellen zu müssen.
Dies sieht der VBB auch dadurch bestätigt, dass im September 2018 im Zwischenbericht der Task Force BeschO, als gedachte Arbeitsgrundlage für den ebenfalls von der Verteidigungsministerin nunmehr einberufenen Expertenrat, die vorgeschlagenen Änderungen zu nahezu 100% dem Arbeitspapier "Projekt Pfeil" hinsichtlich der organisatorischen Maßnahmen und der angedachten Rechtsformänderung - weg von einer Behörde hin zu einer Anstalt öffentlichen Rechts, o.Ä. - entsprechen und andere Lösungen nicht zulässt.
Von Oktober 2018 bis Februar 2019 tagte sodann der Expertenrat. Am 6. März 2019 wurde der einstimmig beschlossene Abschlussbericht im Intranet für alle Beschäftigten veröffentlicht. Der Expertenrat kommt zu dem Ergebnis:
1) Weder kontextbezogene (Umfeldanalysen) noch prozessuale Betrachtungen der relevanten Funktionsträger in der Beschaffungsorganisation Bundeswehr, bei dem das BAAINBw lediglich einem Teil ist, haben stattgefunden.
2) Ohne empirisch belegbare oder nachvollziehbar begründete Argumente wird von der Task Force eine massive Umorganisation des BAAINBw vorgeschlagen, die zu einem 'Gesamtsystemcrash' führen würde. Vorteile dieser Umorganisation konnten nicht erläutert werden, dafür bleiben aber damit einhergehende Nachteile komplett unberücksichtigt.
3) Eine Rechtsformänderung verbietet sich mit Blick auf den Art. 87b GG als lex specialis. Zudem können damit die gewünschten Effekte nicht erreicht werden, da die Probleme im Rüstungswesen anderweitig verortet sind.
4) Im Gesamtergebnis werden die vorgeschlagenen massiven organisatorischen Änderungen, wie auch Rechtsformänderungen im Bericht der Task Force BeschO als nicht tragbar attestiert!
Die Ankündigung von Staatssekretär Zimmer im Anschluss an den Bericht, sich "auszusuchen", welchen Empfehlungen er folgen und der Ministerin im April nach Vorlage des Abschlussberichtes der Task Force BeschO vorschlagen will, irritiert in diesem Zusammenhang.
Vielmehr fordert der VBB
a) eine Defizit- und Prozessanalyse bzw. entsprechende Optimierung der Beschaffungsprozesse nach bewährten Steuerungslogiken im Kontext politischer Rahmenbedingungen/Strategie, der Märkte/nachgewiesenen Industriebefähigungen, der "gelebten" Einhaltung der eingeführten Verfahrensbestimmungen bzw. Prozesse u.a.m. Hierzu sollten die Bundeswehruniversitäten München und Hamburg beauftragt werden.
b) Verbesserte personelle Ausstattung und Verzicht auf die Kompensationsforderungen für bereits anerkannte Dienstposten
c) Ganzheitlicher Beschaffungsansatz
d) Einstellung des überbordenden Berichtswesens
e) Entscheidungen zugunsten neuer Projekte müssen sich künftig nicht nur an der Ressource (verfügbare) Haushaltsmittel orientieren, sondern auch an den Ressourcen Projekt-/Personal, Infrastruktur, Logistik, Betriebskapazitäten u.a.m.
f) Bei der Projektaufstellung, etc. werden der betroffenen Abteilungen im Ministerium Beschäftigte des BAAINBw als zusätzliche Expertise (z.B. interaktiv) zugewiesen und arbeiten mit.
g) Die enorm ressourcenaufwändige Task Force BeschO im BMVg stellt ihre Tätigkeit ein; das seit Mai 2018 dort tätige Personal wird der Beschaffungsorganisation für ein Jahr zur Dienstleistung zugewiesen.
Der VBB erwartet, dass sich die Leitung des Verteidigungsministeriums der Argumente des Expertenrats nicht verschließt. Der VBB fordert vielmehr sich endlich wieder den eigentlichen Aufgaben der Bundeswehr zuzuwenden. Grundlage hierfür muss eine transparente ergebnisorientierte Prozessorganisation der gesamten Beschaffungsorganisation Bundeswehr sein. Zudem wird es Zeit für eine Trendwende in der (politischen) Führungskultur: Optimierung und Veränderung gerne, ABER faktenbasiert, selbstlos und mit Augenmaß!
Als Anlage zur Presseerklärung können auf der VBB-Homepage www.vbb-bund.de Fakten zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) sowie ein Dokument "Rüstungsbeschaffung kurz erklärt" abgerufen werden.
Pressekontakt:
Wolfram Kamm
Bundesvorsitzender des Verbandes der Beamten der Bundeswehr e.V.
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