Stephen Frears: "Ich liebe Bürgersteige und Tiefgaragen" - Tele 5 zeigt 'The Snapper' am 11. Juni um 20.15 Uhr und 'Fish & Chips' am 25. Juni um 20.15 Uhr
München (ots)
Stephen Frears (66), einer der bekanntesten britischen Regisseure, über lächerliche Monarchien, dummdreiste Politiker und seine symbolische Mutter.
Tele 5: Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihre Anfänge als Filmemacher zurückdenken?
Stephen Frears: Als ich von der Universität kam, begann ich zunächst am Theater. Zum Kino kam ich dann eher aus Versehen. Der Regisseur Karel Reisz lud mich ein, mit ihm zu arbeiten. Alles war ein wunderbarer Unfall.
Tele 5: Wo sehen Sie sich im britischen Kino?
Stephen Frears: Bei uns sind die Verhältnisse ganz anders als in Frankreich. Es gibt keine Filmkultur, keinen Zusammenhang zwischen den Regisseuren. Jeder arbeitet isoliert vor sich hin. Ich selbst fühle mich Ken Loach und Mike Leigh nahe. Wir haben ungefähr zur gleichen Zeit begonnen, sind beeinflusst vom "Free Cinema", dem sozialrealistischen Kino der 60er-Jahre.
Tele 5: Sind Sie ein politischer Regisseur?
Stephen Frears: Ja. Aber vor allem ein Regisseur, der wirkliche Menschen zeigt, keine Klischees. Und Menschen möchten nicht als Opfer gezeigt werden. Sie wollen nicht hässlich und depressiv wirken - weil sie sich auch nicht so fühlen. Ich mag keine Opfer und auch keine Untergänge. Ein Film wie Orson Welles' 'Citizen Kane' ist großartig, aber seine Story deprimiert mich auch. Ich kann ihn nicht ansehen.
Tele 5: Wonach suchen Sie sich Ihre Stoffe aus?
Stephen Frears: Nach Instinkt. Grundsätzlich interessiert mich die Gegenwart. Filme wie 'Gefährliche Liebschaften' waren wie Urlaub für mich. Eigentlich bevorzuge ich die Moderne und das Stadtleben, ich liebe Bürgersteige und Tiefgaragen. Und ich mag am liebsten Filme, die mit mir selbst nichts zu tun haben.
Tele 5: Ihr Film 'The Queen' hat viele überrascht.
Stephen Frears: Ein Film über die Queen ist ein bisschen so, als würde man einen Film über seine Mutter drehen. In England ist die Queen eine Art symbolische, emotionale Mutter des Landes. Die ganze Institution der Monarchie ist völlig lächerlich, und es ist sehr leicht, sich über all das lustig zu machen. In England macht man das den ganzen Tag lang. Es ist das Neuartige an 'The Queen', dass wir die Monarchie ernst nehmen.
Tele 5: Warum sind die Briten so in ihre Monarchie vernarrt?
Stephen Frears: Wir sind einfach sehr sentimental. Und England ist ein konservatives Land. Wie die meisten Menschen möchten wir, dass alles so bleibt wie immer. Ich glaube nicht, dass es dort je eine Revolution geben wird oder ähnliches.
Tele 5: Sie sind immer ein Chronist Ihres Heimatlandes gewesen. Wie stellen Sie sich das Großbritannien der nahen Zukunft vor?
Stephen Frears: Es gibt viel Hoffnung, denn Tony Blair ist gegangen. Das ist großartig. Blair hat das Parlament enorm geschwächt und die Macht der Regierung gestärkt. Er ist exakt der gleiche Typ wie George Bush: ein oberflächlicher, dummer, aber dreister Mensch und ein Antidemokrat, dessen Regierung nur aus persönlichen Freunden und Lobbyisten bestand.
Tele 5: Was reizt Sie persönlich noch für die nächsten Jahre?
Stephen Frears: Eine Menge. Es gibt nach wie vor viele Filme, die ich gerne machen würde. Aber ich habe keine Schublade voller unverfilmter Drehbücher zuhause. Außerdem genieße ich meinen Job als Lehrer an der Filmhochschule. Die Arbeit mit jungen Leuten macht einen offener. Unterrichten ist eine gute Kur gegen den Narzissmus, den man als Regisseur entwickelt.
Von Rüdiger Suchsland
Tele 5 zeigt die Stephen-Frears-Filme 'The Snapper' und 'Fish & Chips' im Rahmen der Reihe "Irische Momente - Kino von der grünen Insel".
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