Lausitzer Rundschau: "Stolpersteine" in Senftenberg Erfühlbare Zahlen
Cottbus (ots)
Senftenberg ist die 254. Kommune, in der Stolpersteine an Nazi-Opfer erinnern - wie schon in Lübben, Cottbus, Guben und Bautzen. Genau auf dem Gehweg vor dem letzten frei gewählten Wohnsitz, dort, wo sie glücklich oder traurig waren, Nachbarn oder Freunde trafen; wo sie sich vielleicht noch einmal umgedreht haben auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit, um den Daheimgebliebenen einen Gruß zurückzulassen, stehen nun ihre Namen, graviert in kleine Messingplatten auf Pflastersteinen. "Stolpersteine" sind ein Kunstprojekt, das Anfang der 90er illegal begann und inzwischen über die Landesgrenzen hinaus eine Eigendynamik entfacht hat. Der Grund: Die Erinnerung bleibt nicht einfach nur eine Gedenktafel oder ein Monument. Geschichte und Geschichten der Opfer werden erforscht und bekannt gemacht. Zahlen werden erfühlbar, bekommen Gesichter. Aus den unfassbaren und nicht vorstellbaren sechs Millionen jüdischen Nazi-Opfern werden der Besitzer des Warenhauses nebenan, die Schwägerin des Drogisten gegenüber oder der Anwalt in der Bahnhofstraße. Menschen mitten aus dem Leben einer Stadt. Menschen, die gerade noch im Chor neben einem gestanden haben könnten oder im Verein den Beitrag kassierten. Und mit diesem Bewusstwerden der möglichen Alltäglichkeiten kommt Geschichte ganz nah heran - und Geschehenes wird als noch grausamer empfunden - auch nach beinahe 70 Jahren. Diese Konkretheit fordert aber auch heraus. Nicht nur, die Erinnerung zu bewahren. Sie fordert auch Zivilcourage. Dann hinzuschauen, wenn Steine geschändet werden wie diese Woche in Bautzen. Und vor allem dann, wenn sich Rattenfänger wieder anschleichen.
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