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Lausitzer Rundschau: Die zwei Seiten der Medaille Zum 80. Geburtstag von Alt-Kanzler Helmut Kohl

Cottbus (ots)

Jetzt wird er 80. Und man tut sich immer noch
schwer mit ihm. Helmut Kohl, der Mann, der die Bundesrepublik länger 
regierte als jeder andere, hat sich um dieses Land zweifellos 
herausragende Verdienste erworben. Aber auf sie fällt der Schatten 
der Parteispendenaffäre. Selbst seine CDU, die er über alles stellte,
ist deshalb noch immer auf der Suche nach dem rechten Umgang mit dem 
Pfälzer. Sie ahnt, dass Bimbes- und Einheitskanzler zwei Seiten der 
selben Medaille waren.
Als Kohl am 1. Oktober 1982 zum Bundeskanzler gewählt wurde, galt er 
seinen Gegnern als Inkarnation bornierten deutschen Spießertums. Und 
wenn die Menschen in der DDR 1989 das SED-Regime nicht in einer 
unvergleichlichen friedlichen Revolution hinweggefegt hätten, wäre 
seine Kanzlerschaft wohl nur eine Randnotiz der deutschen Geschichte 
geblieben. Dann aber war er auf einmal der richtige Mann an der 
richtigen Stelle. Dann hat er auf einmal alles richtig gemacht. Dann 
war auf einmal wirklich entscheidend, dass er und nicht ein anderer 
im Kanzleramt saß. Dann wurde sogar die Provinzialität, deretwegen er
lange verspottet worden war, zur großen Stärke. Denn der 
bodenständige, strickjackentragende Oggersheimer mit seiner Liebe zu 
deftigem Essen und Pfälzer Wein konnte - als es um die deutsche 
Einheit ging - leichter das Vertrauen von Amerikanern, Russen, Briten
und Franzosen gewinnen, als es etwa der intellektuell weit überlegene
zackige Norddeutsche Helmut Schmidt in dieser Situation vermocht 
hätte.
Dies anzuerkennen, fiel und fällt manchem schwer. Dass die 
Ostdeutschen 1990 ausgerechnet Kohl mit "Helmut"-Sprechchören als 
Heilsbringer feierten, hat ihnen ein sich selbst als progressiv 
verstehender Teil der westdeutschen Gesellschaft nie verziehen. 
Allerdings kühlte auch die Sympathie der ehemaligen DDR-Bürger 
deutlich ab, als es mit den "blühenden Landschaften" länger dauerte 
als erhofft.
Kohl wäre gut beraten gewesen, spätestens 1998 auf eine erneute 
Kandidatur zu verzichten und das Feld freiwillig einem anderen zu 
überlassen. Aber der unbedingte, zeitweilen brutale Machtwille und 
der Glaube an die eigene Unersetzbarkeit - das war seine andere 
Seite. Ebenso wie der Klüngel, das weit verzweigte 
Beziehungsgeflecht, die Schaffung von Loyalitäten und Abhängigkeiten,
die kleinliche Rachsucht und jene Starrköpfigkeit, mit der er sich - 
unter Verweis auf sein Ehrenwort und in offenem Bruch des 
Parteiengesetzes - bis heute weigert, die Namen von Spendern 
offenzulegen. Dass er deshalb auf den Ehrenvorsitz seiner CDU 
verzichten musste, dürfte ihn selbst am meisten schmerzen.
Der Platz in den Geschichtsbüchern ist Helmut Kohl dennoch sicher. 
Denn dort wird ein Leben reduziert auf das Außergewöhnliche, das 
Besondere. Jenen, die ihn mit all seinen allzu menschlichen Schwächen
erlebt haben, ist das unmöglich. Für die kommenden Generationen aber 
wird er nur noch der Kanzler der Einheit, der große Europäer sein. 
Und seine Verfehlungen Fußnoten der Geschichte.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de

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