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Lausitzer Rundschau: Das Unwort "Döner-Mord" - Effekthascherei geht oft vor Nachdenklichkeit

Cottbus (ots)

Über Jahre mordete eine neonazistische Terrorgruppe im rassistischen Wahn Ausländer vornehmlich türkischer Herkunft. Der Fall braucht einen Namen. Es dauert nicht lange, da ist der Begriff "Döner-Mord" in der Welt. Am gestrigen Dienstag wurde er zum Unwort des Jahres gewählt. Ein gute Wahl für ein schlechtes Wort, das es in diesem Zusammenhang gar nicht geben dürfte. Die Bezeichnung von Menschen mit Namen, die offenkundig nicht zu ihnen passen, muss nicht beleidigend sein. Sagt beispielsweise ein junger Mann zu einem anderen Jungen "Hey, Alter", dann meint er nicht: "Du siehst 30 Jahre älter aus, als du bist." Sagt er aber mit aggressiver Stimme "alter Drecksack", ist die Kumpelhaftigkeit dahin. Im Fall des Wortes "Döner-Mord" liegt der Fall deutlich schlimmer. Die Mord-Opfer werden mit Dönern verglichen. Döner werden verzehrt. Die Opfer wurden erschossen. Begriffe wie "Döner-Mord" haben oberflächlich betrachtet einen gewissen Reiz, weil sie schnell über die Lippen gehen und irgendwie witzig klingen. Etwas tiefer nachgedacht, zeugt der Begriff aber von einer bestenfalls zynischen, schlimmstenfalls rassistischen Weltsicht. Und so dürften vor allem Rechtsextremisten an der Verwendung des Begriffs ihre Freude gehabt haben. "Waren doch nur Döner..." Ist ja nur ein Wort, ließe sich einwenden, aber Wörter sind starke Waffen - stärker als Feuer und Stahl. Wörter bewegen, öffnen die Augen oder verschleiern die Wirklichkeit. Wörter stimulieren Neid und Stolz, Liebe und Hass, Geiz und Großmut. Sie ermuntern zu Freiheit und Toleranz, aber sie sind auch geeignet, dumpfe Instinkte anzusprechen und rassistisches Gedankengut zu übertragen. Dennoch - nicht jedem, der das Unwort verwendet, lässt sich Rassismus unterstellen. Zuweilen ist der sorglose Umgang mit der Sprache einfach nur das Ergebnis von Naivität oder Effekthascherei. Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, in der schnelle Effekte viel zählen, Geist und Hintersinn eher unbeachtet bleiben. Wir lieben den Witz, der schnell zündet, Nachdenklichkeit wird selten bemerkt, denn wenn sie sich äußern will, knallt schon der nächste Gag ins Gespräch und übertönt die zögerliche Wortwahl. Die Wahl des Unwortes schiebt eine kleine Bremse in den Wettbewerb um den witzigsten Witz und den aufsehenerregendsten Effekt. Eine kleine Bremse, die Sprache wieder dorthin verschiebt, wo sie entstanden ist: in die Nachdenklichkeit.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

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