Lausitzer Rundschau: Die Flut und die Besuche Warum Politiker an Katastrophen nicht vorbeikommen
Cottbus (ots)
Schröder hat's 2002 getan, Obama im vergangenen Jahr, als er um seine Wiederwahl zitterte. Am Montag tat's Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel gestern. Politiker und ihre Besuche nach Naturkatastrophen. Termine, bei denen unsere sonst so aufgestylten Damen und Herren Spitzenpolitiker plötzlich derbe Schuhe tragen, Windjacken, und mit ernsten Mienen sowie zerzausten Haaren geduldig Ministerpräsidenten oder Bürgermeistern zuhören. Zudem schütteln sie dabei unzählige Hände, sagen geschätzte 1000-mal "Wir werden Sie nicht im Stich lassen" und versprechen rasch unbürokratische Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe. Sind das nun medienwirksam durchkalkulierte Wahlauftritte? Man tut Merkel sicher nicht unrecht, wenn man unterstellt, dass sie natürlich auch das Bild im Auge hat, das bei den Wählern hängenbleiben wird: Die Kümmerin der Nation sorgt sich. Sie hat nicht nur ein gutes Herz für Mütter und Mieter, wie sie unlängst unter Beweis stellte. Sie vergisst auch ihre Landsleute im Osten nicht, die um ihr Hab und Gut bangen. Viele Medien stürzen sich nun genüsslich auf solche Flut-Visiten, erklären sie hämisch zu bloßen Inszenierungen. Und jetzt? Was soll die Kanzlerin machen? Soll sie eine solche Visite absagen? Man möge sich dann einmal den Aufschrei anhören. Merkel würde endgültig zur eiskalten Krisenmanagerin erklärt werden. Andere Politiker würden allzu gern ihren Platz an der Hände-Schüttel-Front im Hochwasser-Gebiet einnehmen. Und das Fazit? Ein Regierungschef muss dorthin, wo die Menschen unter solchen Schicksalsschlägen oder Naturkatastrophen leiden. Das war früher so, das ist heute so. Man denke an Helmut Schmidt, wie er auch dank starker Bilder bei der Sturmflut in Hamburg 1962 zum Krisenmanager aufstieg. Politik lebt immer von Emotionen und selbstbewussten Auftritten - und die Menschen, die vom Hochwasser betroffen sind, erwarten Teilnahme. Das wichtigste Signal solcher Besuche ist, dass unsere Gesellschaft in solchen Zeiten enger zusammenrückt. Beim letzten schweren Hochwasser 2002 kamen weit mehr als 100 Millionen Euro an privaten Spenden zusammen - Geld, das alle Betroffenen bitter nötig hatten.
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