Stuttgarter Zeitung: Der Besuch der Zyniker
Kommentar zu Flüchtlinge/Lampedusa/EU
Stuttgart (ots)
Zynisch ist das treffende Wort für den Auftritt von EU-Kommissionspräsident José Barroso und Italiens Premier Enrico Letta auf Lampedusa. Hoffnung müsse den armen Menschen geschenkt werden, verlangte Barroso und appellierte angesichts der Hunderten von Toten an die Menschlichkeit. Doch just er ist der höchste Vertreter jenes Europas, das seit Jahren alles tut, um den verzweifelten Flüchtlingen die Hoffnung auf ein besseres Leben zu rauben.
Was Europa wirklich will, haben die Innenminister der Mitgliedstaaten beim letzten Treffen demonstriert. Nur Stunden vor der Visite Barrosos auf Lampedusa haben sie die restriktive Asylpolitik der EU bestätigt. Auch Letta ist im Augenblick des Entsetzens zu großherzigen Gesten bereit. Für die Opfer des Flüchtlingsdramas werde es ein Staatsbegräbnis geben, verkündete der Premier. Was er nicht sagte: gegen jeden der Überlebenden läuft ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Migrationsgesetz.
Ach ja, während Barroso und Letta Auge in Auge mit den Überlebenden standen, wussten sie, dass das EU-Parlament heute über das neue Grenzkontrollsystem Eurosur abstimmt. Es ermöglicht, Europa mit Satellitentechnik noch besser gegen Flüchtlinge abzuschotten. Erwähnt haben es beide Politiker in ihren Reden über Hoffnung und Menschlichkeit nicht.
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