Stuttgarter Zeitung: Der Philosoph Robert Spaemann plädiert gegen Sterbehilfe
Stuttgart (ots)
Der Philosoph Robert Spaemann spricht sich in einem Beitrag für die Stuttgarter Zeitung (Mittwochsausgabe) klar gegen jede Form von Sterbehilfe aus. Der in Stuttgart lebende Gelehrte, dessen Hauptwerk "Glück und Wohlwollen - Versuch über die Ethik" 1989 erschien, bezweifelt die angebliche Fürsorge der Sterbehilfebefürworter für die Betroffenen. Er schreibt: "Dass der erneute Ruf nach Euthanasie heute nur rein zufällig in einem Augenblick Gehör findet, wo die demografische Entwicklung das Problem der Altersversorgung immer dramatischer werden lässt - wer wollte das guten Gewissens behaupten? Hier bietet sich ein Ausweg, der den Charme einer sehr billigen Endlösung hat, heute wie damals."
Spaemann fragt, "darf sich eine humane Gesellschaft diesen Ausweg leisten"? Und er kommt zu einer klaren Antwort: Nein. "Philosophen von Platon bis Kant und Wittgenstein haben zwar den bewussten und freien Selbstmord für etwas fundamental Verwerfliches gehalten. Aber die Zuständigkeit der Rechtsgemeinschaft endet dort, wo jemand aus diesem zwischenmenschlichen Beziehungsgefüge austreten will. Wenn er das tun will, muss er es allerdings allein tun", schreibt Spaemann - und fährt fort: "Denn jeder, der ihm bei dieser Handlung behilflich ist oder sie sogar an seiner statt ausführt, befindet sich innerhalb dieses Gefüges. Er darf nicht, mit der Begründung oder unter dem Vorwand, den anderen als Freiheitssubjekt zu achten, ebendieses Freiheitssubjekt vernichten."
Aus der Möglichkeit, sich töten zu lassen, könnte eine Pflicht entstehen, meint Spaemann. "Wenn er dieses Recht hat, dann hat er die volle Verantwortung für alle Mühen, Kosten und Entbehrungen, die seine Mitmenschen aufbringen, um ihn zu pflegen. Er könnte sie ja durch einen Federstrich von dieser Last befreien, statt das Familienvermögen zu verbrauchen. Welcher sensible Mensch wird nicht unter solchen Umständen eine moralische Pflicht empfinden, der stummen Geste zu folgen, die ihm sagt: Da ist der Ausgang!' Die rechtliche Möglichkeit der Tötung auf Verlangen produziert ebendieses Verlangen. Es handelt sich hier um eine zwingende Logik."
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