Fallpauschalen: Krankenkassen fürchten schlechtere Leistungen
Hamburg (ots)
Die Qualität der Behandlung in Deutschland wird unter der Gesundheitsreform leiden. Davon gehen Spitzenvertreter von Krankenkassen und Kliniken aus. Die Pläne der Bundesregierung hätten gravierende Auswirkungen auf Niveau und Struktur der Versorgung. Besondere Sorge bereiten den Experten die so genannten Fallpauschalen. Sie lassen die Liegezeiten in Krankenhäusern deutlich sinken. Patienten könnten aus Kostengründen sogar zu früh entlassen werden. Zudem fördert diese neue Art der Abrechnung die Spezialisierung und Marktbereinigung unter den Kliniken. Dies geht aus dem "Branchenkompass Gesundheitswesen" hervor, einer aktuellen Studie von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut.
Dass die Fallpauschalen schlechtere Leistungen für die Patienten bedeuten, erwarten 55 Prozent der gesetzlichen Krankenkassen. Ein Drittel der Privatversicherer ist der gleichen Ansicht. Auch 41 Prozent der Kliniken rechnen damit, dass die Qualität der Behandlung leidet. Der Grund: Klinken schränken teure Untersuchungen so weit wie möglich ein. Das gilt auch für die Behandlung von Privatversicherten, weil auch sie mit ihren Kassen nach den Fallpauschalen abrechnen werden. Teure Luxus-Behandlungen erhält nur noch, wer jede Untersuchung einzeln privat bezahlt, so die Befürchtung.
Krankenhäuser sind von 2004 an verpflichtet, stationäre Behandlungen per Fallpauschale mit den Kostenträgern abzurechnen. Ziel ist, dass die Kliniken ihre Ausgaben senken. Bis jetzt diente in aller Regel die Aufenthaltsdauer eines Patienten als Grundlage der Kostenübernahme. Die Ärzte werden nach der Neuregelung vier von fünf Eingriffen bereits am Tag der Aufnahme vornehmen, erwarten die Experten von Mummert Consulting. Die Zahl der Behandlungsfälle, die nur einen Tag lang im Krankenhaus betreut werden, wird um die Hälfte steigen. Das alte System bot Krankenhäusern einen Anreiz, Patienten möglichst lange zu behandeln. Versicherte müssen sich nun also auf kürzere Liegezeiten einstellen. Als Folge könnte bis 2005 jedes dritte Krankenhausbett abgebaut werden.
70 Prozent der deutschen Krankenhäuser rechnen bereits seit Jahresbeginn auf freiwilliger Basis mit Fallpauschalen ab. Die Entscheider im Gesundheitswesen haben also bereits Erfahrungswerte, wenn sie bezweifeln, dass die Pauschalen die Behandlungskosten auch tatsächlich senken: Ob auf Seiten der Leistungsträger oder der Krankenhäuser - in beiden Bereichen glaubt nur rund ein Drittel, dass das neue System seinen Zweck erfüllt.
Stattdessen wird die Spezialisierung innerhalb der Krankenhauslandschaft zunehmen - der Profit ist bei Fallpauschalen höher, wenn ein Haus in größeren Einheiten standardisiert arbeitet und sich auf weniger Felder konzentriert. Etwa vier von fünf Befragten erwarten daher, dass die Pauschalen die Bereinigung des Marktes vorantreiben. Die Folge: Den Patienten stehen in absehbarer Zeit weniger Kliniken zur Verfügung. Diese werden die Breite ihres Angebots darüber hinaus einschränken.
Ein Vorbild für die Einführung von Fallpauschalen ist Australien, wo seit diesem Schritt im Jahr 1992 die Liegezeiten um rund 25 Prozent gesunken sind. Dadurch wurde rund ein Fünftel der Kapazitäten freigesetzt - und das bei gleichzeitig verbesserten Leistungen. Den Ergebnissen der Studie zufolge sind die Chancen für solche Resultate in Deutschland deutlich geringer.
Für Rückfragen steht Ihnen gerne zur Verfügung: Mummert Consulting AG, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Jörg Forthmann, Tel.: 040/227 03-7787.
Die Presselounge von Mummert Consulting finden Sie im Internet unter www.mummert-consulting.de.
Original content of: Sopra Steria SE, transmitted by news aktuell