Warten aufs Geld ist Alltag
Coface-Studie über Zahlungserfahrungen deutscher Unternehmen
Mainz (ots)
Für 83,7 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind Zahlungsverzögerungen ihrer Kunden Alltag. Das ist Ergebnis einer neuen Coface-Befragung zum Zahlungsverhalten im Geschäft zwischen Unternehmen (B2B). Damit liegt der Anteil über demjenigen in China. Dort berichteten in einer vergleichbaren Coface-Studie rund 80 Prozent von Zahlungsverzögerungen.
In der deutschen Unternehmenslandschaft sind Zahlungsverzögerungen ausgeprägter bei Unternehmen, die vorrangig vom Exportgeschäft abhängig sind. Sie verbuchen zu fast 90 Prozent Verzögerungen, bei den auf den deutschen Markt konzentrierten Unternehmen sind es 82,8 Prozent.
"Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Umfang der Außenstände tendenziell leicht verringert", erklärt Dr. Mario Jung, Economist für Nordeuropa bei Coface und Autor der Studie. 20 Prozent der befragten Unternehmen berichten von geringeren Außenständen, 16,9 Prozent von einem Anstieg. Über 60 Prozent sehen keine Veränderung. Unter den exportorientierten Unternehmen sehen gut 24 Prozent eine Verringerung ihrer Außenstände, 23,3 Prozent einen Anstieg. Am stärksten betroffen von Zahlungsverzögerungen ist der Bereich Textil/Leder/Bekleidung mit 94,4 Prozent, gefolgt von Papier/Verpackung/Druck (89,3 Prozent) sowie Holz/Möbel (87,5 Prozent). Am wenigsten betroffen sind die Mechanik-/Präzisionsindustrie mit "nur" 75,0 Prozent. Auch die Branchen Kfz-/Fahrzeugindustrie (78,8 Prozent) sowie der Großhandel (81,0 Prozent) notieren unter dem Durchschnitt.
In zeitlicher Perspektive bleiben die Verzögerungen in einem überschaubaren Rahmen. Für mehr als drei Viertel liegt die Dauer bei maximal 60 Tagen. Damit stellt sich die Situation für deutsche Unternehmen deutlich besser dar als für ihre chinesischen Pendants: Dort beträgt der Anteil von Verzögerungen von bis zu 60 Tagen nur 60 Prozent. Weitaus kritischer ist dort auch der Anteil von sehr langen Zahlungsstörungen von über 150 Tagen mit 10 Prozent. Bei den deutschen Unternehmen, die sich auf den Inlandsmarkt konzentrieren, liegt dieser Anteil bei nur 1,9 Prozent, bei exportorientierten Unternehmen bei 7 Prozent.
Hauptgrund für Zahlungsverzögerungen sind für mehr als jedes zweite Unternehmen finanziellen Schwierigkeiten ihrer Kunden. Dagegen spielen Streitfälle, beispielsweise um die Produktqualität, eine nachgeordnete Rolle (9,4 Prozent). Auch Betrug ist gerade einmal bei 3,8 Prozent Hauptursache. Für exportorientierte Unternehmen fällt die Antwortstruktur sehr ähnlich aus. Allerdings berichten solche Unternehmen auch öfter von Problemen bei der Wechselkursfestsetzung oder im Devisenverkehr allgemein.
Zahlungsfristen sind nach der aktuellen Coface-Studie gängige Praxis. 84,4 Prozent haben ihren Kunden Zahlungsfristen eingeräumt. Bei Unternehmen, die vor allem am Exportgeschäft hängen, sind es fast 92 Prozent. Rund jedes zweite Unternehmen bezeichnet die Erfordernisse am Markt als Hauptgrund. 14,1 Prozent räumen Zahlungsziele ein, um eine angespannte Liquiditätslage ihrer Kunden abzufedern. "Das ist besonders gefährlich", warnt Téva Perreau, General Manager Nordeuropa bei Coface. "Diese Unternehmen begeben sich selbst auf eine höhere Risikostufe."
Deutsche Unternehmen räumen relativ kurze Zahlungsfristen ein. Bei gut 56 Prozent beträgt das durchschnittliche Ziel bis 30 Tage. Nimmt man noch die Grenze 60 Tage hinzu, gewähren mehr als 92 Prozent Ziele bis 60 Tage. Die maximalen Zahlungsziele bestätigen die Tendenz zu kürzeren Fristen. Demnach schreibt fast die Hälfte der Unternehmen maximal 60 Tage fest. Allerdings berichten auch immerhin 12 Prozent von maximalen Zahlungsfristen von mehr als 120 Tagen. Nach den Erfahrungen von Coface werden rund 80 Prozent offener Zahlungen nicht mehr vollständig getilgt, wenn sie längerer als sechs Monate in Verzug sind. Übertreffen diese zwei Prozent des Jahresumsatzes, können sie die Liquidität des Lieferanten beeinträchtigen. Für die gesamte deutsche Unternehmenslandschaft liegt der Anteil von länger als sechs Monate fälligen Zahlungen, die mindestens zwei Prozent des Jahresumsatzes ausmachen, bei 13,4 Prozent. Zum Vergleich: In China sind es deutlich über 30 Prozent.
Die große Mehrheit der Unternehmen hat ein eigenes Kredit-Risikomanagement, welches zu rund 30 Prozent auch eine eigene Organisationseinheit bildet. Knapp 17 Prozent haben kein eigenständiges Management von Risiken im Forderungsgeschäft. 5,2 Prozent verzichten sogar ganz auf eine Steuerung ihres Kreditrisikos. "Das ist unternehmerisches Glücksspiel", sagt Téva Perreau.
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