Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer
ÖPNV-Demonstration offenbart verfehlte hessische Verkehrspolitik
Unternehmen und Gewerkschaft prangern ruinösen Wettbewerb an
Wiesbaden (ots)
Am 4. Juni fordern private Unternehmen mit einem Protestkorso von 200 Bussen auf einer Länge von 5 km in Wiesbaden die hessische Landesregierung auf, endlich faire Wettbewerbsbedingungen zwischen kommunalen und privaten Busunternehmen zu schaffen. Sie wenden sich damit gegen eine bundesweit einmalige ruinöse Ausschreibungspraxis, die den Mittelstand in die Insolvenz treibt und Tausende Arbeitsplätze vernichtet. Auch die Gewerkschaft Transnet unterstützt den Protest.
Die außergewöhnliche Protestkundgebung und das Bündnis zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft in Wiesbaden zeigen, dass die hessische Landesregierung aufgerufen ist, ihren mittelstandsfeindlichen und Arbeitsplätze vernichtenden Kurs im öffentlichen Nahverkehr endlich zu beenden.
Als einziges Bundesland schreibt Hessen seit geraumer Zeit europaweit Verkehrsleistungen aus und interpretiert die bestehende Rechtslage zum deutschen Personenbeförderungsgesetz (PBefG) auf ganz eigene Weise. Nicht mehr die über Jahrzehnte hinweg bewährte Partnerschaft zwischen Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger ist bindend, sondern das "Prinzip der geringsten Kosten", unter der Prämisse flächendeckender Ausschreibungen. Die hessischen Behörden erhoffen sich damit eine Entlastung öffentlicher Kassen. Anstelle einer Kostensenkung kommt es aber zu einer Kostenexplosion. Die vorgenommene strikte Trennung von Besteller- und Erstelleraufgaben reduziert Verkehrsunternehmen auf die reine Durchführung von Verkehrsleistungen. Planung, Organisation und Durchführung des Verkehrs aus einer Hand gehen verloren. Eine neue staatlich geschaffene Regieebene (mit neuem Personal und neuer Bürokratie) wird als Korrektiv eingesetzt und verschlingt bereits hier alle eingesparten Kosten.
Lohn- und Preisdumping auf dem Rücken der Beschäftigten durch Abgabe von Billig-Angeboten setzen einen fatalen Prozess in Gang. Verlieren private Unternehmen hessische Ausschreibungen sind Insolvenz und Verlust Tausender Arbeitsplätze vorprogrammiert. Nur etwas mehr als 40 Prozent des bisherigen Ausschreibungsvolumens im Umfang von annähernd 18 Millionen Nutzwagenkilometern p.a. gewannen private Unternehmen. Fast 60 Prozent gingen an Unternehmen der öffentlichen Hand. Neben dem Verlust an Qualität und zusätzlichen Regiekosten wird hier ein weiterer Kardinalfehler sichtbar. Kommunale Unternehmen gewinnen Ausschreibungen in großem Ausmaß und das, obwohl sie im Gegensatz zu privaten Unternehmen jährlich Defizite in Millionenhöhe produzieren, die immer wieder finanziell ausgeglichen werden. Städtische Unternehmen sind oft im sogen. "Querverbund" organisiert und profitieren von Überschüssen aus dem Strom-, Gas- und Wasserverkauf der Stadtwerke. Wie dramatisch der unfaire Wettbewerb in Hessen ist, zeigen auch die Ausschreibungsgebiete. Mit Ausnahme der Stadt Frankfurt/M. gelangten bisher keine Flächen zur Ausschreibung, in denen städtische bzw. kommunale Unternehmen wirken. Hier herrscht "Arten- und Bestandsschutz." Gebiete in denen private Unternehmen bisher einen kostengünstigen Nahverkehr angeboten haben, gelangen jedoch in die Ausschreibung. Es ist wirtschaftlich in keiner Weise nachvollziehbar, dass defizitär arbeitende kommunale Unternehmen aus ihrem geschützten Raum ausbrechen und mithilfe von Tochtergesellschaften gegen private, familiär geführte Unternehmen in der Ausschreibung antreten. Preis- und Lohndumping sind die Folge. Private Busunternehmen sind nicht gegen einen Wettbewerb im Nahverkehr. Sie sind aber für einen fairen Wettbewerb unter gleichen Bedingungen. Kommunale Unternehmen müssen sich entweder dem Wettbewerb stellen oder im angestammten Raum verbleiben und nicht auf Kosten des Steuerzahlers agieren.
Die derzeitige Entwicklung zeigt eindringlich, wie notwendig ein Zurückkehren zum bestehenden PBefG ist, um den Mittelstand fair zu behandeln. Der massenhafte Verlust privater Unternehmen kann mittelfristig auch zu einer Verschlechterung der Qualität im ÖPNV mit einem Rückgang der Fahrgastzahlen führen. Mehrkosten und die Bildung von Oligopolen treten ein.
Europäische Studie dokumentiert das Versagen hessischer Verkehrspolitik Wohin die hessische Praxis steuert, dokumentiert die aktuelle Studie Busfacts vom Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung und Regionalanalyse Emden. Hessen findet darin seine Vorläufer in skandinavischen Ländern. Flächendeckende Ausschreibungen in Schweden und Dänemark führten nur am Anfang zu geringfügigen Kostensenkungen, jedoch zu einem nahezu kompletten Verlust des Mittelstandes. Global Player beherrschen nunmehr den Markt. Nicht eine Erhöhung der Fahrgastzahlen, sondern ein Anstieg der Fahrpreise und ein Qualitätsabfall waren weitere Folgen. In einer zweiten Ausschreibungsphase stiegen die Preise enorm, da es kaum noch Bietangebote gab und der einstmals so preisgünstige Anbieter seine Monopolposition weidlich ausnutzte. Heute sucht man krampfhaft nach einem Weg zur Widerbelebung des Mittelstandes. Im März 2004 stellte zudem der Europäische Gerichtshof klar, dass dänische Staatshilfen an das staatseigene Unternehmen Combus nicht rechtens sind. Combus hatte in Dänemark Ausschreibungen durch Dumpingangebote gewonnen und geriet danach in extreme Schieflage. Fast 100 Millionen Euro musste der dänische Staat für die verfehlte Investitionspolitik von Combus aufbringen. Später wurde das Unternehmen zu einem symbolischen Preis an den britischen Arriva-Konzern verkauft, der mittlerweile auch in Hessen auf Expansionskurs ist.
Ablauf der Demonstration:
Am Samstag, 4. Juni wird der Buskonvoi um "5 vor 12" vor dem hessischen Verkehrsministerium in Wiesbaden (Kaiser-Friedrich-Ring 75) eintreffen und den Mittelstand symbolisch zu Grabe tragen.
Pressekontakt:
Martin Kaßler, Leiter Medien & Kommunikation, Tel.: 030/2408 93 00.
Mathias Hörning, Geschäftsführer Fachverband Omnibusverkehr Hessen
(FOH) und Veranstalter, Tel.: 0561/71817. Mobil: 0173 / 850 97 97.
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