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Berliner Morgenpost: Ein weiterer Rückschlag für Müntefering

Berlin (ots)

Wolfgang Clement war nicht irgendwer in der SPD. Er
war Pressesprecher der Bundespartei, Ministerpräsident im 
sozialdemokratischen Stammland Nordrhein-Westfalen, schließlich 
Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Gerhard Schröder - und als 
solcher erst Spiritus Rector und dann Vollstrecker der 
Hartz-IV-Reformen. Wenn so einer sein Parteibuch zurückgibt, dann 
müssen im Berliner Willy-Brandt-Haus alle Alarmsirenen schrillen. 
Wolfgang Clements Rücktrittsgründe legen denn auch schonungslos die 
Führungsschwäche der derzeitigen Parteispitze offen - wie auch den 
Mangel an Sinn für wirtschaftspolitische Realitäten.
Keine Frage, besonders solidarisch ist der Westfale mit seiner Partei
nie umgegangen. Anders als seinen politischen Ziehvater Johannes Rau 
kümmerte ihn das Seelenleben der Partei wenig. Mehr schon sein 
eigenes. Deshalb seine höchst parteiunfreundliche Warnung vor der 
Wahl Frau Ypsilantis in Hessen, deretwegen ihn seine heimische 
NRW-SPD ausschließen wollte. Das hat Clement tief gekränkt. Und auch 
mit der Rüge der Bundesschiedskommission konnte er sich nicht 
abfinden. Dass er sich auf diese Verfahren überhaupt eingelassen und 
nicht schon vorher die Partei verlassen hat, kommt einer weiteren 
Provokation sehr nah. Sie trifft vor allem seinen alten Weggefährten 
Franz Müntefering. Der hatte sich als Parteichef in der Kommission 
noch für Clement stark und als Brückenbauer verdient gemacht. Für 
"Münte" eine politische wie menschliche Enttäuschung zugleich.
 Selbst ein Freispruch hätte wohl an Clements Entscheidung nichts 
geändert. Denn im Kern geht es ihm um die Sache. Und um die ist es in
der Tat in der SPD schlecht bestellt. Clement mag gehofft haben, dass
mit dem Führungswechsel hin zu Müntefering und Steinmeier seine 
Partei zurückfinden werde auf einen wieder verlässlichen Kurs. Nicht 
allein Wolfgang Clement ist enttäuscht worden. Zu einem klaren 
Trennungsstrich gegenüber der Linkspartei kann sich die SPD nicht 
durchringen. Im Gegenteil, in allen Ländern ist sie mittlerweile zu 
Bündnissen mit der Partei Lafontaines und Gysis bereit. Weit entfernt
von den Realitäten in einem Industrieland wie Deutschland auch die 
von Clement zu Recht beklagte Wirtschafts- und Energiepolitik der 
SPD, die meint, ohne Kernenergie auszukommen. Ohne Kursänderung, so 
der Ex- Wirtschaftsminister, drohe eine De-Industrialisierung. Dass 
der auch noch um die Meinungsfreiheit in seiner alten Partei 
fürchtet, ist nach seinen und den Erfahrungen der vier Gewissenstäter
in Hessen keine Überraschung mehr.
Die SPD hat einen Unbequemen, aber auch einen ihrer Besten verloren. 
Das ist bitter. Noch bitterer angesichts der bevorstehenden 
Wahlkämpfe: die bürgerlichen Parteien haben einen neuen Zeugen der 
Anklage.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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