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Berliner Morgenpost: Zwei Warnschüsse Richtung Kanzleramt - Kommentar

Berlin (ots)

Es ist immer wieder erstaunlich, welche
Diskussionen Politiker und Parteien anzetteln, um sich im Gespräch zu
halten. Das fällt besonders auf in der sogenannten Saure-Gurken-Zeit,
also in den Tagen und Wochen wie jetzt zur Jahreswende, in denen es 
zumindest innenpolitisch in der Regel für die Medien nicht viel 
Bedeutsames zu vermelden gibt. Jüngste Bestätigung dieser Beobachtung
liefert das über Nacht entfachte Für und Wider innerhalb der 
Unionsparteien über die Sinnhaftigkeit einer Koalitionsaussage 
zugunsten der FDP im Bundestagswahlkampf 2009.
Die entbrannte Debatte überrascht aus gleich zwei Gründen. Einerseits
ist sehr wahrscheinlich den meisten Wählern ohnehin klar, dass CDU 
und CSU inhaltlich wie menschlich - wenn schon nicht allein - dann 
doch am liebsten mit den Liberalen koalieren würden. Wie auf der 
anderen Seite die SPD mit den Grünen. Und zweitens ist neun Monate 
vor dem Wahltag wahrlich kein Zeitdruck zu erkennen.
Dass der Hesse Roland Koch angesichts des erneuten Urnengangs am 
18.Januar in seinem Land auf die FDP setzt und diese auch mit
der Mahnung an die Bundes-CDU umgarnt, wieder frühzeitig ein 
Koalitionsbekenntnis zugunsten der Liberalen abzulegen, ist nicht 
verwunderlich. Das ist Teil des Landeswahlkampfs. Wenn dann aber auch
noch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, der seit 
Jahren problemlos mit der FDP regiert, eine Wortmeldung mit 
gleichlautender Aufforderung abgibt, ist die öffentliche Debatte da, 
die offensichtlich gezielt inszeniert worden ist. Den Hintergrund 
liefern Spekulationen, nach denen die Bundeskanzlerin und 
CDU-Vorsitzende Angela Merkel Gedanken hegen soll, vor der 
Bundestagswahl 2009 auf eine klare Koalitionsaussage zu verzichten.
Über Koalitionen entscheiden, das wissen die Deutschen spätestens 
seit der Bundestagwahl 2005 und der Wahl in Hessen zu Beginn dieses 
Jahres, nicht länger die mittlerweile fünf Parteien, sondern allein 
die Wähler. Sie erzwangen im Bund die große Koalition, in Hessen 
verhinderten sie Schwarz-Gelb wie Rot-Grün und brachen der SPD zudem 
das politische Genick mit der Option, durch Widerruf eines 
Wahlversprechens (nicht mit der Linkspartei) doch noch an die Macht 
zu kommen.
Spätestens seit diesen Erfahrungen wird sich jede Partei vor 
kategorischen Koalitionsaussagen hüten. Das sollte aber vor allem die
beiden noch etwas größeren Parteien nicht davon abhalten, dem Wähler 
zu sagen, mit welchem Partner sie glauben, ihre Politik am 
verlässlichsten durchsetzen zu können. Alles eigentlich eine 
Selbstverständlichkeit. Oder etwa doch nicht? Liebäugelt Frau Merkel 
etwa tatsächlich mit einer Neuauflage der großen Koalition, weil es 
sich mit der - aus ihrer Sicht - bequemer regieren lässt? Kaum zu 
glauben. Sollte daran auch nur ein Fünkchen Wahrheit sein, wären 
Kochs und Wulffs Mahnungen mehr als Effekthaschereien in der 
Saure-Gurken-Zeit zwischen den Jahren. Es wären gezielte Warnschüsse 
vors Kanzleramt.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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