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Berliner Morgenpost: Sicherheit ist wichtiger als politische Gesten - Kommentar

Berlin (ots)

Will der Westen sich selbst treu und nach außen
glaubwürdig bleiben, muss er sich auch im Kampf gegen den Terrorismus
an die Prinzipien des von ihm propagierten Rechtsstaats halten. Die 
zeigen den Sicherheitsbehörden Grenzen auf - auch gegen Feinde wie 
die islamistischen Fundamentalisten, die außer einer verquasten 
Koran-Interpretation für sich selbst keine Gesetze gelten lassen. 
Gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien hat die gerade abgelöste 
Bush-Administration mit dem Gefangenenlager Guantánamo auf das 
Übelste verstoßen. Zugleich hat Amerika mit diesem vom Vorwurf 
schwerster Menschenrechtsverletzungen belasteten Lager den gesamten 
Westen dem Vorwurf der Verlogenheit ausgesetzt. Wenn Barack Obama 
diesen Makel endlich beenden will, folgt er Forderungen auch der 
Verbündeten.
Dennoch bleibt es vorrangig Aufgabe und Pflicht Amerikas, mit der 
Schließung verbundene Probleme selbst zu lösen. Auch im Fall 
Guantánamo hat das Verursacherprinzip zu gelten.
Dass ohne offizielles Hilfsgesuch aus Washington Außenminister 
Frank-Walter Steinmeier öffentlich vorpreschte und die Bereitschaft 
Deutschlands signalisierte, Häftlinge aus Guantánamo aufzunehmen, war
ziemlich vorlaut - und vor allem voreilig. Er brach damit prompt den 
wohl kalkulierten Streit innerhalb der großen Koalition vom Zaun: 
hier der Obama-Freund und Gutmensch Steinmeier, dort der hartherzige 
Innenminister Wolfgang Schäuble, der dem US-Präsidenten gleich zu 
Beginn das Leben schwer macht. Ein Kalkül, das vielleicht im Zeichen 
des nahenden Wahlkampfs angestellt wurde, aber nicht taugt, wenn es 
um zentrale Fragen der inneren Sicherheit auch hierzulande geht.
Niemand weiß bislang, wie gefährlich die 250 Insassen, von denen 60 
als weitgehend unschuldig gelten, wirklich noch sind. In den 
Dokumenten über sie, so Informationen aus der Obama-Administration, 
soll erhebliche Unordnung herrschen. Schwer ist außerdem zu 
prognostizieren, wie sich die meist jahrelange Haftzeit auf 
Hinwendung zum oder Abkehr vom Terrorismus ausgewirkt hat. Zu neuer 
Nachdenklichkeit zwingt die Bestätigung, dass es sich bei zwei 
Männern in einem aktuellen al-Qaida-Video um ehemalige 
Guantánamo-Häftlinge handelt.
Gestritten wird in Deutschland und mittlerweile auch innerhalb der EU
um die etwa 60 unschuldigen Gefangenen, die wegen drohender Folter 
wohl nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können. Sind diese 
Häftlinge wirklich ungefährlich, dann spricht nichts dagegen, dass 
Amerika sie aufnimmt. Bleiben ob der Friedfertigkeit dagegen Zweifel,
spricht noch weniger dafür, dass sich Deutschland weitere potenzielle
Terroristen ins Land holt. Eine Sorge übrigens, die nicht allein den 
Bundesinnenminister von der CDU plagt. Auch Berlins Innensenator 
Ehrhart Körting von der SPD hat größte Bedenken. Die äußert er aber 
nicht mehr laut. Aus Solidarität mit seinem Kanzlerkandidaten. 
Humanes Engagement in allen Ehren - aber im Zweifel müssen die 
Sicherheitsinteressen des Landes Vorrang haben vor wahltaktischen 
Überlegungen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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