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Berliner Morgenpost: Wahrheiten, die nie jemand auszusprechen wagte - Kommentar

Berlin (ots)

Wohl jeder, der Reiten als Leistungssport betreibt,
weiß Geschichten von ehemaligen und aktuellen Championatsreitern zu 
berichten, von Siegern, die so gar nicht in das von 
Reitsportfunktionären gern heraufbeschworene Bild des Partners Pferd 
auf saftiger, grüner Wiese passen. Geschichten von Schweiß, Blut und 
Schmerz sind das. Und nicht selten steht hinter dem Erfolg eines 
Turnierstalles ein fantasievoller Tierarzt, der sich seine Dienste 
teuer bezahlen lässt. Sponsoren, auf die der Reitsport wie kein 
anderer Leistungssport angewiesen ist, interessieren sich für 
Erfolge, selten dafür, wie sie entstehen. Schmutzige Praktiken sollen
bitte im Verborgenen bleiben. Das war im Radsport nicht anders.
Deutschlands erfolgreichster Springreiter, Ludger Beerbaum, hat mit 
seiner Aussage über Doping, Medikation und mit seiner Haltung dazu 
ein Erdbeben in der deutschen Reiterei ausgelöst, das überfällig war.
Beerbaum ist für seinen, allerdings späten, Mut zu bewundern, steht 
ihm doch ein mächtiger Verband gegenüber, der sich in der 
Vergangenheit blind gegeben und Verkünder kritischer Wahrheiten wie 
Nestbeschmutzer behandelt hat.
Zu lange gab sich die Reiterliche Vereinigung unbeteiligt. Zu lange 
sonnte man sich selbstzufrieden im goldenen Schein der Medaillen, die
regelmäßig die deutsche Statistik bei Olympia aufhübschten. Zu lange 
waren die Funktionäre darum bemüht, den Schmutz unter den Teppich zu 
kehren, forderten auf der einen Seite Erfolge ein und installierten 
auf der anderen Seite ein System, das den Reitern alle Mittel gab, 
erfolgreich zu sein, Doping inklusive. Auffallen sollte / durfte das 
Ganze natürlich nicht.
Allmählich scheinen die Funktionäre nun zu begreifen, wie ernst es um
ihren Sport steht.
Doch so sehr die Einrichtung einer Sonderkommission zu begrüßen ist, 
gerettet ist der Reitsport damit noch lange nicht, zu sehr kommt es 
darauf an, was die Kommission zutage fördert und wie die 
Öffentlichkeit damit umgeht. Wenn offengelegt wird, dass Reitsport 
ein riesiges Geschäft ist, Pferde Sportgeräte, Züchter Unternehmer 
sind, wird die Öffentlichkeit das akzeptieren können? Wird sie 
weiterhin deutsche Erfolge in Championaten feiern? Werden weiterhin 
Mädchen in die Reitvereine strömen, Sponsoren sich engagieren? Im 
besten Fall ja. Denn die Faszination des Sports, das Wundervolle am 
Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier bliebe von dieser Wahrheit 
unberührt.
Wenn Fritz Thiedemann sein legendäres Pferd Meteor in den 
Fünfzigerjahren auf ein Championat vorbereitete, benutzte er dazu 
eine Eisenstange. Diese Eisenstange wurde dem Wallach, mit dem 
Thiedemann 1952 in Stockholm Mannschafts-Olympiasieger wurde, vor die
Füße geknallt, damit er keine Fehler machte. Reiterlegende Hans 
Günter Winkler war unerbittlich nicht nur sich selbst und seinen 
Schülern gegenüber, sondern auch gegenüber seinen Pferden. Damals hat
niemand nach Grenzen gefragt. Jetzt ist die Chance, sie zu ziehen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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