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Berliner Morgenpost: Der Kampf gegen Doping muss fortgesetzt werden - Leitartikel

Berlin (ots)

Wie gern würde sich der Sportkonsument ab heute
neun Tage lang mit einer kühlen Molle vor den Flachbildschirm hocken,
die Gabel ins frisch gegrillte Nackensteak jagen und voll naiven 
Glücks zuschauen, wie junge drahtige Menschen um die Wette laufen, 
springen, werfen. Die Leichtathletik liefert die besten, weil simple 
Drehbücher für große Gefühle. Helden, Versager, Diven, Kämpfer, 
Weicheier liefern zuverlässig großes Kino. Das ist die schillernde 
Oberfläche, die die Berliner Weltmeisterschaft unvergleichlich 
unterhaltsam machen wird.
Doch selbst der schlichteste Sportfan ist kaum in der Lage, nur diese
Oberfläche zu betrachten. Wo Profi-Sport tobt und mithin großes Geld,
da wird geschummelt, pharmazeutisch, aber auch auf jede andere Art: 
Der eine trägt Wunderschuhe, der andere feilt seinen Speer, tritt mit
Psycho-Guru an oder einem Spritzenplan, den kein Labor der Welt 
nachweisen kann.
Es ist wie in Politik, Wirtschaft und überall sonst: Immer wieder 
erliegen Menschen der Versuchung, sich einen Vorteil zu verschaffen 
oder hellen einfach nur den harten Alltag mit Tabletten, Injektionen 
oder einer Ladung Nasenpulver auf. Auf unsere Sieger stoßen wir ja 
auch gerne an - Prösterchen. Unsere Leute sind natürlich sauber.
Wie auch im richtigen Leben lautet die entscheidende Frage: Wie gehen
wir mit dem Betrug um? Wollen wir den Kampf auf- und Doping einfach 
freigeben? Völlig undenkbar. Denn wo ist die Altersgrenze? Bei 18 
Jahren? Oder vielleicht doch besser bei 16? Bei 14-Jährigen 
allerdings schlägt das Zeug am allerbesten an. Nein: Der Kampf gegen 
Doping muss fortgesetzt werden, ebenso wie die Jagd nach 
Steuersündern.
Wie weit aber darf die Macht der Dopingjäger reichen? Überall 
kontrollieren? Nicht nur Athletinnen weisen auf die unwürdigen 
Prozeduren bei der Urinabgabe hin. Wie gerecht ist es, wenn Sportler 
in Ballungsgebieten dutzendfach, an den Rändern der Welt aber gar 
nicht kontrolliert werden? Sperren beim leisesten Verdacht? Der Fall 
Pechstein hat gerade erst gezeigt, dass der Indizienbeweis zu 
erschüttern ist. Wie aber begegnet man der Gefahr von 
Falsch-Anschuldigungen, die ein Athletenleben ruinieren? 
Persönlichkeitsrechte gelten auch für Sportler.
Am unfairsten wäre es, Athleten generell zu kriminalisieren. Leistung
um jeden Preis ist ein Menschheitsmerkmal. Wer sein Leben auf 
wackelige Grundlagen wie Sporthilfe, Sponsoren, Trainingspläne und 
die eigene Gesundheit stellt, darf Anerkennung und Verständnis 
erwarten, muss aber auch mit harten Strafen rechnen, wenn er 
Vertrauen missbraucht.
Fakt ist: Leichtathleten sind nicht besser oder schlechter als ihre 
Fans. Sie führen nur gleichsam unter einem Brennglas vor, was diese 
Welt bisweilen bewegt - große Fairness ebenso wie niederste 
Hinterlist. Der Fernseher ist nicht mehr und nicht weniger als ein 
großer Spiegel. Und die Fans müssen mit dem Widerspruch leben, dass 
eine WM aus Weltrekord und Doping-Enthüllung besteht.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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