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Berliner Morgenpost: Der Fall Schmidt oder: Aller Abschied ist schwer

Berlin (ots)

Es gibt viele Menschen, die den Absprung nicht
schaffen. Die den richtigen Moment verpassen, noch eine Saison 
dranhängen, noch mal kandidieren, sich unverzichtbar fühlen und dabei
langsam, aber sicher zur Witzfigur werden. Im Sport, in der Politik, 
im Geschäftsleben, wo immer Erfolg in viel Geld, Ruhm, Einfluss und 
Schulterklopfen umgewandelt wird, mögen Menschen nur ungern gehen, 
sich anderem zuwenden, neue Wege finden. Abschied nehmen ist schwer, 
Privilegien aufgeben noch schwerer. Ein Leben ohne Dienstwagen für 
manchen einmal von diesem bescheidenen Glück Geküssten schier 
unvorstellbar.
Wir stellen uns also kurz schlafend und träumen: Ulla Schmidt im 
Urlaub, ohne S-Klasse, ohne Chauffeur, ohne Dienstsiegel, ohne 
offizielle Reiseschreibmaschine. Unerreichbar im Nichts. Einfach nur 
Erholen. Schauderhaft. Wir hier zu Haus wären der Pharmalobby 
ausgeliefert; sie da im Irgendwo könnte sich nicht rettend vor die 
Privatisierung des Gesundheitswesens werfen. Es wäre schrecklich.
Schrecklich, schrecklich sogar, zumal der Rechnungshof ja bestätigt 
hat, dass einer Ministerin diese Art professioneller Reiseausrüstung 
uneingeschränkt zusteht. Jedenfalls solange sie sich in ihrem 
Dénia-Urlaub wenigstens kurzzeitig um die dort siedelnden 
Deutschpensionäre kümmert und den anderen, den privaten Teil ihrer 
Tour als geldwerten Vorteil beim Kollegen Steinbrück anmeldet.
Wir haben jetzt den ministeriellen Arbeitsstab geradezu vor Augen, 
wie er Jahr für Jahr die Costa Blanca durchforstet nach Rentnern mit 
deutschem Pass. Da muss doch noch ein Pflegeheim zu finden sein 
zwischen Gandía und Torrevieja. Sonst müsste sich Frau Ministerin ja 
nach einer anderen Urlaubsregion umsehen. Oder auch noch die Anreise 
von Auto samt Chauffeur privat versteuern. Oje!
Das Bemerkenswerteste an dieser sommerlichen Dienstwagenaffäre ist, 
dass Ulla Schmidt, die ja als dienstälteste Gesundheitsministerin 
Europas keine Anfängerin ist in diesem Geschäft, nicht ansatzweise 
merkt, wie hohl und selbstgerecht ihre Verteidigungsreden klingen. 
Sie durfte und darf ja ihren Dienstwagen mit in den Urlaub nehmen. 
Das muss regelkonform geschehen, und wenn es mal nicht passiert ist, 
aus welchen Gründen auch immer, dann kann man das geraderücken, 
vorsorgen, dass der Fehler kein zweites Mal passiert und gut ist. 
Aber man raune uns bitte nicht wieder und wieder vor, das alles 
geschehe zum Wohle des deutschen Volkes, seiner Pensionäre im 
Westzipfel Spaniens oder der gesetzlich Versicherten, die vor den 
Fängen der Gesundheitslobby zu bewahren seien. Das ist lächerlich, 
spricht für ein gehöriges Maß an Selbstüberschätzung, liefert dem 
politischen Gegner Wahlkampfmunition, schadet dem Ansehen der Politik
insgesamt und dem des angestrengten SPD-Kanzlerkandidaten im 
Besonderen. Wenn man so will, sabotiert Ulla Schmidt gerade ihre 
eigene Politik.
So gesehen sollte sie vielleicht doch mal über einen freiwilligen 
Rückzug nachdenken - auch wenn's, siehe oben, schwerfällt.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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