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Berliner Morgenpost: Die Kosten der Vergangenheit - Leitartikel

Berlin (ots)

Man kann jetzt wieder hin und her rechnen - und
dann noch mal zurück. Aber wie man Millionen, Milliarden auch dreht, 
wendet, stapelt, das Ergebnis wird immer das gleiche sein: Ja, die 
deutsche Einheit ist uns Steuerzahler teuer zu stehen gekommen, und 
ein Ende der roten Zahlen ist auch nicht so richtig abzusehen. 40 
Jahre, so hat gleich nach Unterzeichnung des Einheitsvertrags ein 
kluger Kopf spekuliert, so lange wie das Land gespalten war also, 
werde es dauern bis die Einheit vollzogen sei. Und so lange, 
mindestens, werde man auch zahlen müssen. Danach wären wir jetzt 
ziemlich genau bei der Hälfte angekommen. Da kommt also noch so 
einiges. Und, wie damals vor 20 Jahren, kann auch heute keiner so 
ganz genau sagen, was am Ende genau rauskommt unter dem Strich.
Wir zahlen ja nicht nur für die Einheit, also dafür, dass es 
bundesweit einigermaßen einheitliche Bedingungen gibt, dass Wohlstand
auch in abgelegeneren Ecken der Republik spürbar wird. Wir zahlen 
auch für ein paar kapitale Fehler, die gemacht worden sind, beim 
Versuch, diese gewollte Einheit in die Wirklichkeit umzusetzen. Wir 
zahlen auch, noch immer, so etwas wie Kriegsfolgekosten, die zunächst
nur den Menschen im Osten Deutschlands aufgebürdet worden waren, 
jedenfalls deutlich mehr als denen im Westen, die vom Marshall-Plan 
der Amerikaner profitierten.
Wir zahlen auch, und das sollte man bei all den Debatten über die 
DDR-Vergangenheit nicht ganz vergessen, für die Unfähigkeit der 
SED-Funktionäre, ein Wirtschaftssystem aufzubauen, das Wachstum und 
Wohlstand und am Ende auch das Glück der Menschen generiert. Für ein 
Regime, das behauptete, die Weisheit mit Löffeln gefuttert zu haben, 
und sich und seine Menschen so lange belog, bis es wirklich kein 
Entkommen mehr gab vor der bitteren Wahrheit. Solch Selbstbetrug, 
solch Schönrednerei, solch Wahrheitsverweigerung kommt teuer zu 
stehen, das kann man allemal lernen aus unserer Geschichte. Manchmal,
zum Beispiel im laufenden Wahlkampf, beschleicht einen das Gefühl, 
wir täten genau das nicht.
Auf Deutschland, auf uns, werden durch die größte Wirtschaftskrise 
der Nachkriegsgeschichte Belastungen zukommen, die uns dazu zwingen 
werden, alle Ausgaben, auch alle Einnahmen, die dieser Staat hat, 
erneut auf den Prüfstand zu stellen. Steuern, Sozialleistungen, 
Abgaben, Gebühren, die Frage, ob die Nutzung der Autobahn künftig 
eine Extragebühr kostet oder die öffentlichen Verkehrsmittel noch 
teurer werden müssen und die Müllabfuhr, und Ulla Schmidts private 
Dienstwagennutzung auch. Darüber wird zu diskutieren sein, in den 
westlichen wie in den östlichen Bundesländern, erst recht hier in 
Berlin. Und in diesem Zusammenhang, nur in diesem Zusammenhang, wird 
man auch darüber sprechen können, ob die finanziellen Lasten des 
Krieges, der Spaltung und der Einheit unter den neuen Bedingungen der
Weltwirtschaft noch angemessen verteilt sind. Oder ob man auch an 
dieser sensiblen Stelle Abstriche machen muss.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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