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Berliner Morgenpost: Merkels Machtgesetz gilt auch für Westerwelle - Leitartikel

Berlin (ots)

Wenn es ein merkelsches Machtgesetz gibt, dann
dieses: Aufgeregt und aufgeblasen laufen Männer umher, doch am Ende 
gewinnt immer nur eine. Dieses Gesetz gilt auch weiterhin: In Merkels
Nähe lebt es sich gefährlich. Ihrer ohnehin eindrucksvollen Strecke 
hat die Machtfrau am Wahlsonntag ein paar weitere prominente Opfer 
hinzugefügt: Ausgebuffte Polit-Profis wie Müntefering, Steinmeier und
Steinbrück tauscht sie gegen die Kabinettspraktikanten von der FDP, 
sie hat den neidvoll nach Berlin schielenden Christian Wulff auf 
Distanz gebracht, der lästige Bayer Seehofer hat sich gleich selbst 
erledigt. Die gesamten Verluste der Union lassen sich vortrefflich 
nach München schieben.
Zudem hat sie sich Respekt in der CDU erworben. Denn die Chefin hat 
ihren Valium-Wahlkampf gegen die Krawalleros durchgehalten und damit 
fast zwei Millionen potenzieller SPD-Wähler von den Wahllokalen 
ferngehalten. So hat sie ihrer Partei nach jetzigem Stand vier 
weitere Ministerien erobert, denn von acht SPD-Ressorts bekommt die 
FDP bestenfalls die Hälfte. Mit neuen Posten lässt sich eine Partei 
gern korrumpieren. Zugleich ist im rot-rot-grünen Lager eine 
vermutlich wenig appetitliche Keilerei innerhalb und zwischen den 
drei Oppositionsparteien zu erwarten. Machterhalt und Machtausbau ist
der Kern politischen Handelns; beides ist der Kanzlerin gelungen.
Angesichts der effektiven merkelschen Machtphysik tut der künftige 
Vizekanzler Westerwelle gut daran, sich in huldvoller Dezenz zu üben.
Fakt ist: Der FDP-Chef hat noch nie regiert. Als Anführer der 
Koalitionsverhandlungen, Dompteur einer zum Übermut neigenden Partei 
sowie einer neu besetzten Fraktion und als künftiger Minister hat der
gelernte Oppositionspolitiker eine Reihe neuer Jobs geerbt. Viel Ruhe
wird er da nicht bekommen. Der Typus Westerwelle ist für Deutschland 
eine kulturelle Herausforderung, wie es 1998 der Vizekanzler Joschka 
Fischer war, nur eben von der anderen Seite des Schulhofs. Der 
FDP-Chef steht seit jeher unter verschärfter Beobachtung.
Bislang hat Westerwelle vor allem Hoffnungen geweckt; jetzt muss er 
liefern, nicht nur Ideen und Durchsetzungshärte, sondern auch Posten.
Rücken betagtere Anwärter wie Solms und Brüderle oder Pieper und 
Leutheusser-Schnarrenberger ins Kabinett, ist der gefühlte Glanz des 
Neuaufbruchs schnell dahin. Am Beispiel Guttenberg ist klar geworden,
welche Dynamik junge, frische Typen erzeugen können. Dann aber murren
die Alten. Und schon hat der Ober-Liberale einen Generationskonflikt 
am Hals.
Die Kanzlerin wird kühl lächelnd beobachten, wie ihr neuer Partner 
zwischen den Mühlsteinen der Macht quietscht. Mit dem 
Fundamentalsatz, sie sei "die Kanzlerin aller Deutschen", hat Mutti 
Merkel die Rollen bereits verteilt. Wie einst Helmut Kohl will sie 
sich auch fürderhin als Kümmerin positionieren. Für Bosheiten und 
soziale Kälte ist ab sofort die FDP zuständig. Das merkelsche 
Machtgesetz gilt weiter.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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