Berliner Morgenpost: Die Länder dürfen nicht allein gelassen werden
Berlin (ots)
Er hat gleich die ganz große Keule ausgepackt: Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) droht angesichts der von Schwarz-Gelb beschlossenen Steuerentlastungen mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, weil die Länder die finanziellen Hauptlasten zu tragen hätten und damit die Finanzierungsfähigkeit der Länder untergraben werde. Allein in Berlin würden pro Jahr 700 Millionen Euro an Steuereinnahmen fehlen, errechneten die Mitarbeiter in der Berliner Finanzverwaltung. Zu viel für das hoch verschuldete Berlin. Das ist sicherlich richtig, wenn es auf diese Millionensumme - zumal nicht nur einmal, sondern in jedem Jahr wieder - hinauslaufen würde. Doch bevor jetzt das große Jammern beginnt, sollte man sich die veränderte Situation noch einmal genau anschauen. Da ist zum einen das gute Recht einer neuen Regierung, Steuerentlastungen zu beschließen. Wollen wir nicht alle, dass Familien und Alleinerziehende finanziell gestärkt werden? Dass Unternehmen angesichts der andauernden Wirtschaftskrise unterstützt und entlastet werden? Die Entscheidung von Union und FDP, den Kinderfreibetrag deutlich anzuheben und das Kindergeld zu erhöhen, kostet natürlich viel Geld. Insgesamt rund 4,6 Milliarden Euro. Geld, das auch den Ländern bei den Steuereinnahmen fehlen wird. Aber wer will, dass wieder mehr Kinder in Deutschland geboren werden, muss die Familien unterstützen. Es reicht nicht, neue Kitas zu bauen, man muss auch finanziell etwas tun. Zum anderen ist noch gar nicht entschieden, wie die Steuerentlastungen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Davon steht nichts im Koalitionsvertrag, genauso wenig wie über den geplanten Stufentarif bei der Einkommensteuer. Berlins Finanzsenator Nußbaum ließ dennoch schon ausrechnen, dass von den Mindereinnahmen in Höhe von 24 Milliarden Euro die Länder die größere Summe - nämlich 14 Milliarden Euro verkraften müssen. Wenn das so ist, dann gilt: ran an den Verhandlungstisch. Denn auch der Bundesrat hat bei den Steuerentlastungen ein wichtiges Wort mitzureden. Und schon während der Koalitionsverhandlungen wurde ja deutlich, dass auch einige CDU-Ministerpräsidenten den finanziellen Kollaps ihrer Länder befürchten und verhindern wollen. In der Bundesrepublik ist in den vergangenen Jahren ein kompliziertes, sorgsam austariertes Finanzsystem mit einem Ausgleich zwischen Bund und Ländern entstanden, den kann und wird Schwarz-Gelb nicht einfach aufkündigen. Der Staat ist immer als Ganzes zu sehen, das weiß auch die neue Bundesregierung. Sie hat Interesse an Steuerentlastungen, aber ganz gewiss nicht, wenn dadurch die Bundesländer zahlungsunfähig werden. Wer droht, erreicht meist das Gegenteil. Zumal wenn er als Senator einer rot-roten Landesregierung daherkommt, die naturgemäß an schwarz-gelben Plänen wenig Gefallen findet. Vernünftiger ist es, die konkreten Zahlen vorzulegen und zu verhandeln. Ohne Keule in der Hand.
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