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Berliner Morgenpost: Wichtig ist, was unter den Minaretten gelehrt wird

Berlin (ots)

Die Schweizer Entscheidung, den Bau von Minaretten
zu verbieten, gibt eine falsche Antwort auf eine richtige Frage. Die 
Frage, die inzwischen ja alle europäischen Gesellschaften umtreibt, 
ist die nach dem richtigen Umgang mit einer wachsenden muslimischen 
Minderheit, nach den Grenzen der Toleranz gegenüber zuweilen 
rückschrittlicher Sitten und wie man den kleinen Kern von Extremisten
von der muslimischen Mehrheit isolieren kann.
Die der konservativen SVP nahestehende Initiative, die sich nun in 
der Schweiz durchgesetzt hat, gibt darauf eine viel zu simple 
Antwort. Sie verdam  mt das Minarett, das sie als Machtsymbol
des Islam deutet. Das ist kunsthistorisch nicht ganz von der Hand zu 
weisen. Es nimmt aber die tradierte, dem christlichen Kirchturm 
verwandte architektonische Geste wichtiger als das, was in der 
Moschee unter dem Minarett an Inhalten gelehrt wird. Und darauf kommt
es am Ende an.
Gegner des Baus von Moscheen in Europa weisen gerne darauf hin, dass 
es den Christen in manchen muslimischen Ländern ebenfalls verboten 
ist oder sehr erschwert wird, Kirchen zu bauen. Zurecht sieht die EU 
dies etwa in der Türkei als wichtige Hürde an für einen Beitritt des 
Landes zur Union. Der Westen kann aber nur glaubwürdig für 
Religionsfreiheit in muslimischen Ländern eintreten, wenn er sie 
zuerst bei sich zuhause ernst nimmt. Wer sich gerade im Verhältnis 
zum Islam viel zugute hält auf den Gewinn an geistiger und 
politischer Freiheit, den Reformation und Aufklärung dem Westen 
gebracht haben, kann dann nicht einfach wieder dahinter zurückgehen, 
wenn der europäische Gefühlshaushalt durch muslimische Einwanderer 
ein wenig durcheinandergewirbelt wird.
Europa hat viele Jahrhunderte gebraucht, um Konfessionskriege und 
endlich auch den Judenhass hinter sich zu lassen. Ein Verbot des 
Minarettbaus ist zwar noch kein Verbot von Moscheen. Es wirft die 
Schweiz aber hinter das Niveau von Aufklärung und Toleranz zurück, 
das Europa sich in der Vergangenheit so mühsam erarbeitet hat - und 
das etwa die multiethnische Schweiz auch zu solch einem 
bewundernswerten Erfolgsmodell gemacht hat.
Prinzipiell an einem weiten Begriff von Religionsfreiheit in Europa 
festzuhalten bedeutet aber noch lange nicht, dass die 
Mehrheitsgesellschaft von muslimischen Gemeinden in Einzelfällen 
nicht auch einmal die Verkürzung oder den Verzicht auf ein Minarett 
verlangen könnte. Etwa wenn das Bauvorhaben eine historische 
Stadtsilhouette tatsächlich empfindlich stören sollte. Ein 
Pauschalverbot hingegen stößt nicht nur die Schweizer Muslime vor den
Kopf - es sorgt auch in anderen Ländern, besonders wohl auch in 
Deutschland, für Diskussionen.
Die Volksabstimmung zeigt, wie tief die Ängste vor dem Islam in 
Europa sitzen. Ängste, die man in der Politik ernster nehmen sollte. 
Das Votum der Schweizer war deshalb auch ein Referendum gegen den 
Bundesrat in Bern und die politischen Eliten der Schweiz. Einen Weg 
zur Lösung der drängenden Integrationsprobleme in Europa zeigt es 
aber ganz bestimmt nicht auf.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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