Berliner Morgenpost: Obamas Plan ist ein Anfang, nicht die Lösung - Kommentar
Berlin (ots)
Amerikas Präsident Barack Obama hat gleich zwei Botschaften bei seinem lang geplanten Auftritt zur künftigen Afghanistan-Strategie in der Militärakademie West Point: Er wird die Truppen massiv verstärken, zu diesem Zweck 30000 US-Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken. Und, so Obamas zweite Nachricht, die USA werden bereits im Juli 2011 mit dem Rückzug aus dem Land am Hindukusch beginnen. Aber erzeugen mehr Soldaten nicht mehr Krieg und Widerstand? Oder - genauso schlimm -werden die Taliban angesichts des konkreten Abzugsdatums jetzt einfach abwarten, bis alle Truppen aus dem Land sind, um dann wieder die Herrschaft zu übernehmen, Terroristen auszubilden oder den Frauen das Recht auf Bildung zu verwehren? Ehrlicherweise kann diese Fragen derzeit keiner beantworten. Auch Obama nicht. Er, der Friedensnobelpreisträger, musste etwas tun. Denn die Amerikaner sind kriegsmüde, sie wollen wissen, wann ihre Söhne, Ehemänner, Brüder oder Freunde wieder nach Hause kommen. Auf der anderen Seite fordert der US- und Nato-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal seit Wochen mehr Truppen, weil der Krieg gegen die Taliban anders nicht zu gewinnen sei. Obama versucht nun, beiden Seiten gerecht zu werden und die Wende in Afghanistan zu erzwingen. Ein schwieriges Unterfangen. Schwierig wird es angesichts dieser Strategie auch für die Verbündeten. Die USA erwarten nämlich von den anderen Ländern ebenfalls mehr Truppen. Deutschland soll die Zahl seiner Soldaten von 4400 auf mindestens 6400 erhöhen. Das ist angesichts der politischen Stimmung in Deutschland und der Kundus-Affäre viel zu viel verlangt. Das Thema Afghanistan wird, das ist sicher, innenpolitisch noch für einige Stürme sorgen. Das einzig Gute an Obamas Plan ist, dass jetzt international über eine "Exit-Strategie" diskutiert werden muss. Deren Ziele müssen definiert werden - also beispielsweise die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt wie viele afghanische Polizisten und Soldaten so ausgebildet sein sollen, dass sie die Verantwortung für ihr Land übernehmen können. Denn nur, wenn das erreicht ist, wenn die afghanische Regierung in der Lage ist, für Stabilität zu sorgen und selbst gegen die Taliban vorzugehen, können die internationalen Truppen guten Gewissens abziehen. Gibt es einen solchen Plan nicht, kann man sich schon jetzt die Debatte über mehr oder weniger Soldaten sparen, sondern sofort den Rückzug antreten. Dann aber, dass muss allen klar sein, die so gerne "Raus aus Afghanistan" auf ihre Wahlplakate schreiben, wird das Land in kürzester Zeit wieder von den Taliban beherrscht werden. Obamas Plan ist also nur ein Anfang, aber noch lange nicht die Lösung für Afghanistan. Von großer Bedeutung ist deshalb die internationale Afghanistan-Konferenz, die Ende Januar stattfindet. Denn nur wenn die Länder bereit sind, den Krieg gegen die Taliban gemeinsam zu einem Ende zu bringen, gibt es eine Hoffnung für Afghanistan.
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