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Berliner Morgenpost: Therapiestunden in Kopenhagen (Leitartikel)

Berlin (ots)

Wenn die Klimakonferenz von Kopenhagen einen Wert
hatte, dann die Erkenntnis, dass derlei globale Spektakel offenbar 
nicht geeignet sind, um globale Probleme zu lösen. Denn in 
Wirklichkeit geht es nicht ums Kohlendioxid, sondern um weitaus 
irrationalere Ziele. Wie einst bei Olympia werden in Kopenhagen 
nationale Eitelkeiten, ökonomische Interessen, aber auch ganz 
schlichte, aber umso tiefer reichende emotionale Befindlichkeiten wie
Stolz und Ehre verhandelt. Verständlich, dass auch die kleineren 
Gipfelteilnehmer mal in die Weltpresse wollen und allerlei bewegende 
Auftritte inszenieren, die allerdings nur eine Folge haben: Sie 
bremsen.
Am Ende sind es die beiden Großen, die das unschöne Finale bestreiten
und den Gipfel endgültig planieren, womöglich gar in perfider 
Eintracht. Solange die Weltmächte China und die USA noch nicht einmal
gegenseitig akzeptierte und öffentlich überzeugende Rollen gefunden 
haben, auf deren Grundlage überhaupt verhandelt werden kann, ist 
jedes Gespräch über konkrete künftige Pflichten hinfällig.
Der Welt wird in diesen Kopenhagener Tagen klar: Zuerst geht es um 
nationale Interessen - und erst dann ums Klima. Eben dies hat ja auch
die Kanzlerin bestätigt mit ihrer Erklärung, die Deutschen könnten ja
nicht immer Öko-Vorreiter sein, vulgo die gutgläubigen Trottel, die 
der eigenen Ökonomie schadeten. Die Länder und Regionen der Welt, das
zeigt Kopenhagen, sind in einem vielfältigen hierarchischen Geflecht 
gefangen, wo Vorbehalte und Eitelkeiten, aber auch Komplexe und 
schnöde Egoismen herrschen. Solange aber nationale Befindlichkeiten 
dominieren, wird jeder Kompromiss in irgendeinem Teil der Welt als 
Niederlage interpretiert und folgerichtig torpediert.
Es war ein Fehler, das Treffen von Kopenhagen mit großen 
Heilserwartungen zu überfrachten. Der Klimagipfel ist nichts mehr als
eine Übungsstunde für die Weltgemeinschaft. Wie bei einer 
Therapiestunde für Schwererziehbare kann es kaum um mehr gehen, als 
ein Minimum an Respekt und mithin Gesprächsfähigkeit herzustellen. 
Erst auf dieser Grundlage machen Verhandlungen über Zahlen überhaupt 
Sinn.
Die Klimarunde erinnert in ihrer hoffnungslosen Festgefahrenheit 
durchaus an manchen EU-Gipfel. In Europa zeigt sich im Kleinen, womit
die Welt im Großen zu kämpfen hat: Grenzüberschreitende Probleme 
erfordern ganz neue Modelle der Lösung. Es ist eben illusorisch zu 
glauben, dass 15000 Delegierte, von denen jeder in der Heimat
gefeiert werden will, auf irgendein nennenswertes gemeinsames 
Ergebnis verpflichtet werden könnten.
Globale Probleme erfordern eine neue globale Diplomatie, die eher 
abseits großer Bühnen stattfinden muss. Fakt ist: Ohne die USA und 
China geht nichts, deswegen müssen sich die beiden Super-CO2-Mächte 
zuerst einmal auf Ziele und Wege einigen. Dass die Kanzlerin 
angesichts wachsender innenpolitischer Ärgernisse gern als 
Klima-Engel aus Kopenhagen zurückkehren würde, ist nachvollziehbar, 
aber wenig realistisch. Auch Frau Merkel geht es nur vordergründig 
ums Klima, in Wirklichkeit vor allem um irgendeine frohe Botschaft an
sich.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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