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Berliner Morgenpost: Bilanz der Nuller-Jahre (Leitartikel)

Berlin (ots)

Nun haben wir das auch gleich hinter uns.
Null-sieben, null-acht, null-neun. Dieses merkwürdige Jahrzehnt, 
dessen einzelne Jahre nur wie ein Strichcode zu benennen waren und 
von denen man jetzt liest, das seien die "Nuller" gewesen. 
Entsprechend sei es dann auch zugegangen.
Krisen, Krisen, noch mal Krisen, eine bedrohlicher als die andere. 
Die Weltfinanzen zerrüttet, die Weltkulturen zerstritten, das 
Weltklima zerstört, die Weltpolitik hilflos. Nicht mal 
Fußballweltmeister sind wir geworden in diesen zehn Jahren, nicht 
einmal das.
Wer sie liest, die Bilanzen des Jahrzehnts, über die Angriffe auf New
York und die Sozialkassen, die Kriege im Irak und in Afghanistan, die
Erderwärmung, das Nachlassen der Fließgeschwindigkeit des Golfstroms,
die der Finanzkrise unvermeidlich folgende Hyperinflation oder das 
ebenso zwangsläufige Grau der Deflation. Oh Gott. "A Decade From 
Hell", titelt das "Time Magazine". Wenn man das alles liest und dann 
noch den eigenen Kontoauszug: Wo soll das nur hinführen?
Ganz sicher in die Zehner-Jahre. Zehn, elf, zwölf, das hört sich doch
schon besser an. 13 überspringen wir vielleicht einfach. Vierzehn, 
fünfzehn, sechzehn, die Zeit vergeht ja wie im Flug. Und vielleicht, 
so im Jahr achtzehn oder neunzehn, da blicken wir dann schon ein 
wenig milder zurück auf diese Nullerjahre.
Dann erinnern wir uns möglicherweise ganz gern an eine Zeit, in der 
sich vieles zum Positiven gewendet hat. An Jahre, in denen der Euro 
eine nicht für möglich gehaltene Erfolgsstory schrieb und Europa, 
dieses immer so zerstrittene Europa, ganz schön eng zusammenrückte. 
An Jahre, in denen erstmals in der Geschichte eine Frau 
Bundeskanzlerin und ein Schwarzer US-Präsident werden konnten. An 
eine Zeit, in der sich die Fronten des Kalten Kriegs endgültig 
auflösten, Verbohrtheit an vielen Stellen neuer Offenheit wich, das 
Internet die Welt zusammenwachsen ließ und die ungerechte Verteilung 
des Wissens ein wenig nivellierte. Eine Zeit, in der die 
Digitalisierung des Lebens mehr Chancen brachte als Gefahren, die 
natürlich auch. Aber am Ende dieser Nullerjahre, so wird man dann 
vielleicht resümieren, war die Welt doch eine etwas bessere geworden.
Das wäre - wir Deutschen dürfen das gerne vergleichen mit vergangenen
Jahrzehnten - nicht so wenig. Und es wäre allemal mehr, als die Alten
von damals "der Jugend von heute" zugetraut hatten. Die haben es 
nämlich besser gemacht als ihre Vorväter, die sind nicht aufeinander 
losgegangen, jedenfalls nicht in diesem unversöhnlich, hasserfüllten 
Maß, das es auch schon gegeben hat in Deutschland. Die haben das Land
gerechter werden lassen, die haben Grenzen geöffnet, nicht nur 
Mauern. Hürden überwunden, dann auch wieder neue Gräben aufgerissen, 
klar. Aber unterm Strich haben die Menschen, die in den "Nullern" 
Verantwortung getragen haben, Maßstäbe gesetzt, Fortschritt erreicht.
Man darf auch über sie schimpfen, sie waren nicht perfekt. Aber man 
sollte, heute Abend vielleicht, auch mal auf sie anstoßen. Prost 
sagen, gut gemacht! Und danke.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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