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Berliner Morgenpost: Erika Steinbach hat ihre guten Gründe verspielt - Leitartikel

Berlin (ots)

Seit mehr als einem Jahr tobt der Streit über die
Besetzung des Rats der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Im 
Mittelpunkt: die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika 
Steinbach. Erst lehnte die SPD in der großen Koalition die Berufung 
der CDU-Politikerin in das Beratungsgremium für die Gedenkstätte ab, 
die die Erinnerung an das Unrecht der Vertreibung von Millionen 
Deutschen wachhalten soll, ohne dabei die Ursachen durch Hitlers 
Krieg und Verbrechen zu verschweigen. Zweiter Schwerpunkt soll der 
Versöhnungsgedanke insbesondere mit Polen sein und damit die 
gemeinsame europäische Zukunft. In der schwarz-gelben Koalition 
streiten CDU, CSU und FDP über die Causa Steinbach weiter, als sei 
sie das zentrale innenpolitische Thema.
Jetzt verweigert sich die FDP. Wie vorher Außenminister Steinmeier 
begründet Nachfolger Westerwelle das mit der scharfen Ablehnung der 
Personalie in Polen. Doch je länger der Streit dauert, desto mehr 
verkommt er zur Posse - und belastet das Ansehen der Koalition 
schwer. Die Frage nach Angela Merkels Führungskraft wird immer lauter
gestellt. Längst sind die innenpolitischen Auswirkungen verheerender 
als die Belastungen in den deutsch-polnischen Beziehungen.
Die auf der Klaviatur des Ränkespiels erfahrene Vertriebenen-Chefin 
und CDU-Bundestagsabgeordnete hatte zunächst fast alle guten Gründe 
auf ihrer Seite. Zusammen mit dem damaligen SPD-Vordenker Peter Glotz
hatte sie den Stiftungsgedanken auf den Weg gebracht - und natürlich 
müsste sie als oberste Vertriebene im Stiftungsbeirat sitzen. 
Deutsche Außenminister schließlich sollten die bis ins Hysterische 
hoch geputschten Ablehnungsgründe gegenüber Frau Steinbach nicht 
wichtiger nehmen als den Schutz einer Kollegin und Präsidentin eines 
Verbandes, der die Phase rechtsradikaler Verdächtigungen längst 
hinter sich gelassen hat.
Doch statt auf ihr gutes Recht zu pochen und eine Einigung der 
Koalitionspartner über ihre Person abzuwarten, spielte Erika 
Steinbach Anfang des Jahres die Einsichtige - und gab in Wirklichkeit
die Erpresserin. Nichts anderes ist ihr "Friedensangebot", auf einen 
Beiratssitz zu verzichten, wenn dafür im Gegenzug mehr Mitglieder des
BdV in den Stiftungsrat einziehen und der Bund als Geldgeber künftig 
sein Vetorecht aufgibt. Das ist keine "ausgestreckte Hand", wie 
CSU-Chef Seehofer behauptet. Das ist die Hand an der Gurgel der 
Regierung. Auch kein fairer Kompromiss, wie Niedersachsens 
Ministerpräsident Wulff (CDU) erneut glauben machen will - und 
deshalb von seiner Partei verlangt, Erika Steinbach nicht zu opfern. 
Nein, sie ist nicht kompromissbereit. Sie erpresst.
Recht hat Wulff mit seiner Forderung, den Streit schnell zu beenden. 
Erika Steinbach muss endlich begreifen, dass sie sich verzockt und 
ihre Trümpfe leichtfertig verspielt hat. Sie zwingt Angela Merkel, 
sie eiligst an den politischen Opferaltar zu führen. Die Kanzlerin 
wie die Koalition insgesamt dürfen sich nicht erpressen lassen. Aber 
wahrscheinlich gefällt sich Erika Steinbach sogar in der Rolle des 
Opfers - obwohl sie in diesem unsäglichen Streit zur Täterin wurde.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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