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Berliner Morgenpost: Diese Regierung braucht keine Opposition - Leitartikel

Berlin (ots)

Es kann kaum noch schlimmer werden: Öffentlich,
inzwischen sogar über Zeitungsbeiträge und Interviews, streiten sich 
die Bundeskanzlerin und ihr Vizekanzler über die richtige Politik. An
Deutlichkeit lässt der Streit nichts zu wünschen übrig, die Kanzlerin
watscht mit klaren Worten zum Sozialstaat ihren Stellvertreter 
geradezu ab. Man wird das Gefühl nicht los, dass Angela Merkel über 
Guido Westerwelle nur noch den Kopf schüttelt, dass sie diesen Mann, 
der doch am Ziel seiner politischen und damit beruflichen Wünsche 
angekommen ist, einfach nicht mehr versteht. Als Außenminister und 
Vizekanzler dieser Republik, als zweitwichtigstes Mitglied in seiner 
Wunschkoalition macht Westerwelle eine überaus unglückliche Figur. 
Und wirkt nicht mehr authentisch, sondern fast schon verlassen. Von 
Merkel, den Unionskollegen, den Wählern.
Lieber holprig regiert, als fröhlich opponiert, sagt der 
Politpragmatiker - und dieses Motto gilt natürlich auch für die 
schwarz-gelbe Koalition. Doch sie hat einen kompletten Fehlstart 
hingelegt und noch immer nicht Tritt fasst. Erfahrene Politiker mögen
sich daher mit solchen Worten trösten, das Wahlvolk aber erträgt 
diese Stolperei nur für kurze Zeit. Und noch weniger verträgt es 
diese Art von Streit, laut und öffentlich ausgetragen, von einer 
Seite - sei es CDU, FDP oder CSU - immer wieder neu befeuert.
Das Tragische in diesen Tagen ist, dass ein Ende des Trauerspiels 
nicht abzusehen ist. Schon zum zweiten Mal mussten sich Merkel, 
Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer am Mittwochabend zu einem 
Krisengipfel zusammensetzen, um sich wieder auf einen Kurs zu 
verständigen. Zum zweiten Mal innerhalb von rund 120 Tagen 
Regierungszeit. Westerwelle sprach anschließend doch tatsächlich von 
einem "konstruktiven, sachlichen und ruhigen" Gespräch. Manchmal wäre
es klüger zu schweigen.
Immerhin: Im Bundestag trat Westerwelle gestern dann persönlich auf, 
mischte sich in die von ihm angestoßene Hartz-IV-Debatte ein. Bis zu 
Beginn der Sitzung war unklar, ob der FDP-Chef überhaupt reden würde.
Nun, den Mumm hatte er - und die Buhrufe von der Opposition gehören 
zu einer solch emotional geführten Hartz-IV-Debatte. Einen Schritt 
näher sind sich die Koalitionäre aber auch gestern nicht gekommen. 
Westerwelle verteidigte seine Position zum Sozialstaat erneut - 
Merkels Rüffel hin oder her. Und Arbeitsministerin Ursula von der 
Leyen (CDU) appellierte an die eigene Koalition, große Schritte, die 
nun getan werden müssen, "nicht mit Streitigkeiten zu verstolpern". 
Wenn man eine solche Regierung hat, braucht es eigentlich keine 
Opposition mehr.
Am 21. März, also in weniger als einem Monat, wollen sich Merkel, 
Westerwelle und Seehofer wieder zusammensetzen. Und man ahnt, dass 
das dann auch dringend nötig sein wird. Denn weil sich die drei 
Parteien in den inhaltlichen Fragen so uneinig sind, weil sie den 
Koalitionsvertrag so oberflächlich ausgearbeitet haben, weil die FDP 
so schlecht vorbereitet in die Regierung gegangen ist, wird es genug 
zu besprechen geben. Was für eine Koalition.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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