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Berliner Morgenpost: Der 1. Mai wird zum doppelten Testfall - Leitartikel

Berlin (ots)

Das Berliner 1.-Mai-Ritual wird es auch in diesem
Jahr wieder geben. Es gehört weder viel Fantasie dazu, noch ist es 
Schwarzmalerei, dies zu prognostizieren. Denn die Ausgangslage drei 
Wochen vor dem von rechten wie linken Extremisten vom Feiertag zum 
gewalttätigen Demonstrationstag missbrauchten eigentlichen "Tag der 
Arbeit" ist alarmierender als in den Jahren zuvor. Neben der 
autonomen Links-Szene trommeln die Rechtsextremisten Neonazis aus dem
gesamten Bundesgebiet zusammen, um in Berlin aufzumarschieren. Nach 
Erfahrung und Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden werden unter 
ihnen erstmals auch zur Gewalt entschlossene Gruppierungen erwartet.
Die Berliner Polizei steht also vor einer doppelten Herausforderung: 
Sie muss den oder die Aufmärsche der unbelehrbaren Schwarzhemden mit 
brauner Gesinnung und die angekündigten Gegendemonstranten ebenso 
unter Kontrolle halten wie am Abend die revolutionären Umzüge der 
Autonomen. Nachdem die Polizeistrategie der Deeskalation im 
vergangenen Jahre ziemlich kläglich gescheitert ist und mit fast 500 
verletzten Polizisten blutig bezahlt wurde, werden aus Polizeikreisen
schon warnende Stimmen laut, dass es in diesem Jahr noch schlimmer 
enden könnte.
Die verfügbaren Polizisten werden nämlich knapp. Mindestens 6000 
Beamte - so viele wie im letzten Jahr und zusammengezogen aus der 
gesamten Republik - müssten in der Hauptstadt einsatzbereit sein, um 
gewappnet zu sein. Dass die Bereitschaft zur Unterstützung in den 
übrigen Bundesländern für diesen 1. Mai bislang zögerlich ist, ist 
sicherlich mit Einsatzverpflichtungen vor Ort (Fußballspiele, 
ebenfalls verschärfte Demonstrationslagen) zu begründen. Aber nicht 
allein. Insbesondere Hamburger Verstärkungskräfte hatten sich 2009 
von der Berliner Polizeiführung verheizt gefühlt und massive Kritik 
an deren Einsatzkonzept geübt. Und jüngst erst wieder hatten sich 
Polizisten aus Niedersachsen beschwert, wie mies sie als angeforderte
Verstärkung in Berlin untergebracht wurden. Das spricht sich rum. Wer
wie die Berliner Polizei, die allenfalls zwei Drittel der 
erforderlichen Beamten mobilisieren kann, auf Hilfe angewiesen ist, 
sollte mit dieser klüger umgehen als offenkundig bislang geschehen. 
Auch dafür wird dieser 1. Mai ein Test sein.
Vor einer ganz anderen Bewährungsprobe steht die Politik. Vor einer, 
die hoffentlich gelingt, weil sie Mut macht. Angesichts der 
unerwartet brutalen Gewalt im letzten Jahr wie der nicht endenden 
Brandanschläge gegen Autos und Einrichtungen haben die 
Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus zum ersten Mal eine 
parteiübergreifende Erklärung (nur die FDP lehnte ab) verabschiedet. 
Darin distanzieren sich SPD, CDU, Grüne und Linkspartei gemeinsam 
auch von jedweder linksextremistisch motivierten Gewalt. Hält dieses 
Bündnis der Demokraten, wird der extremen Linken der ohnehin höchst 
fragwürdige politische Überbau endgültig zerstört. Das wäre ein 
großer Fortschritt. Weit über den 1. Mai hinaus.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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