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WAZ: Die Folgen der Krise - Gefährliche Stille - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Generalstreiks, Straßenkämpfe, Geiselnahme von
Managern, ein belagertes Parlament: Um Deutschland herum brandet in 
zahlreichen Ländern die Wut der schwächsten Verlierer der Weltkrise 
auf. Wenn man von außen auf die friedlich gebliebene Bundesrepublik 
blickt, müsste man glauben, sie sei weniger betroffen als andere 
Länder. Tatsächlich aber schrumpft die Wirtschaft des 
Exportweltmeisters überdurchschnittlich.
Neben nachtschwarzen Prognosen gibt es viele Anlässe für sozialen
Unfrieden und das Gefühl, dass "die da oben" zu jeder Zeit 
komfortabel "die da oben" bleiben können. Ein grundsätzliches 
Missverhältnis hat sich entwickelt, das sich mit Bonuszahlungen für 
gescheiterte Manager und der Entlassung einer Kassiererin wegen 1,30 
Euro beschreiben lässt. Auch die Bespitzelung von Arbeitnehmern nicht
nur bei Lidl nährt den Eindruck, dass "die da oben" sich praktisch 
alles erlauben. Dennoch wirkt es seltsam, wenn etwa DGB-Chef Michael 
Sommer vor wachsender Unruhe in der Bevölkerung warnt. Das 
Protestpotenzial in Deutschland, das wissen gerade Gewerkschafter, 
ist vergleichsweise gering, weil die soziale Absicherung 
vergleichsweise hoch ist. Die verfallenden Preise für Nahrungsmittel 
und Energie tragen überdies dazu bei, dass die Krise für Menschen, 
die nicht um Arbeitsplätze bangen, bislang wenig spürbar ist.
Auch die für den Sommer erwartete dramatische Zunahme der 
Arbeitslosigkeit wird eher mit einer Entsolidarisierung einhergehen 
als einen Proteststurm entfachen. Die Krise wird sich Betrieb um 
Betrieb holen, und nach dem dritten Betrieb schaut jeder nur noch 
nach sich selbst. Soziale Unruhen wie in anderen Ländern sind extrem 
unwahrscheinlich, und das sollte niemanden beruhigen. Vielmehr muss 
man ernsthaft befürchten, dass viele Menschen resignieren und sich in
der Hoffnungsarmut einrichten. Wenn diese Krise lang andauert, dann 
könnte das Vertrauen in die Demokratie erodieren. Bemerken würde man 
das an sinkenden Wahlbeteiligungen und etwas mehr Zulauf für radikale
Parteien. Ansonsten ist ein solcher Prozess schleichend und 
weitgehend unsichtbar. Das macht ihn so gefährlich.
Proteste haben erstens eine alarmierende und zweitens eine 
entladende Funktion. Insofern steckt hinter Warnungen vor sozialen 
Unruhen vielleicht sogar der Wunsch, es möge doch endlich mal in 
Maßen aufbegehrt werden. Eine stille Abkehr von dem, was diesen Staat
ausmacht, wäre weit schlimmer.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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