Berliner Morgenpost: Die Sozial-Kumpanei muss ein Ende haben - Leitartikel
Berlin (ots)
Hummer auf Kosten der Obdachlosenhilfe, ein Dienst-Maserati, eine Villa am See, eine aus den Kostensätzen der Sozialhilfeträger erwirtschaftete Traumrendite, eine Schlammschlacht zwischen Geldgeber und Auftragnehmer, Insolvenzgerüchte und Dementis: Die Geschichte um die Berliner Treberhilfe taugt dazu, den gesamten Sektor der sozialen Unternehmen in Misskredit zu bringen. Das ist in den meisten Fällen ungerecht, denn viele machen engagierte Arbeit für Jugendliche, Alte oder Obdachlose, und ihre Mitarbeiter sind keineswegs überbezahlt. Dennoch schreit der skandalöse Vorgang um den Sozialunternehmer und Treberhilfe-Gründer Harald Ehlert nach Konsequenzen. Es ist absolut inakzeptabel, wenn Sozialsenatorin Carola Bluhm von der Linken behauptet, ihr seien durch Bundesrecht die Hände gebunden und sie könne nicht prüfen lassen, wie die Treberhilfe ihre enormen Renditen erzielen konnte. Es gibt nur drei Möglichkeiten, wenn ein solches Unternehmen so viel Geld erwirtschaftet und damit innerhalb weniger Jahre Villen, Luxusgehälter und dicke Autos finanzieren kann: Entweder werden Leistungen nicht ordentlich erbracht, die Mitarbeiter ausgebeutet, oder die Kostensätze sind zu hoch. Da ist eine Behörde verpflichtet, genauer hinzuschauen. Wenn Bluhms Fachleute der Meinung sind, dass das Bundessozialhilferecht keine Handhabe für schärfere Kontrollen biete, warum hat Bluhm nicht acht Wochen nach Beginn der Affäre ein paar belastbare Vorschläge in die politischen Diskussion geworfen, wie man das ändern kann? Mit ihrer Beteuerung, die Treberhilfe mache gute Arbeit, hat sich die Sozialsenatorin jedoch von Anfang an die Grundlage für ein härteres Vorgehen gegen Ehlert und seine Mannen genommen. Das nährt den Verdacht, im Sozialbereich kratze eine Katze der anderen kein Auge aus, weil alle vom selben Kuchen fressen und Geld für Soziales immer gut sei. Umso bemerkenswerter ist es, wenn jetzt andere Träger endlich ein Durchgreifen gegen die rufschädigende Treberhilfe verlangen. 2,3 Milliarden Euro gibt das Land Berlin für Soziales aus. Tendenz steigend. Der größte Teil davon fließt an freie Träger, die soziale Dienste im Auftrag der Behörden erbringen. Das ist auch richtig so. Niemand außer ein paar Beamten und Gewerkschaftern möchte zurück in die Zeiten, als die Ämter gegen Vollkostendeckung selber Obdachlosenheime oder Jugendwohnungen betrieben haben. Aber eine Generalrevision ist nötig: Die Wohlfahrtsverbände selbst müssen dafür sorgen, dass ihre Mitgliedsorganisationen transparent wirtschaften. Die Sozialbehörden müssen ihre diversen Prüfmöglichkeiten auch nutzen. Und für den ganzen Sektor werden neue Geschäftsmodelle benötigt: Bisher verdient einer viel, der wie Ehlert möglichst viele Obdachlose unterbringt oder Jugendliche betreut. Wenn ein Träger es schafft, Menschen wieder in ein normales Leben zu führen, verliert er Geld. Erfolg wird also bestraft, Verwaltung von Elend honoriert. Diesen Zustand umzudrehen muss die eigentliche Lehre aus dem Treberhilfe-Skandal sein.
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