BERLINER MORGENPOST: Kultur erledigt, Vision offen - Leitartikel
Berlin (ots)
Das ist eine gute Nachricht für Berlin: SPD und CDU wollen nun eine neue Zentral- und Landesbibliothek in Tempelhof bauen. Wo früher die Flugzeuge landeten, soll nun Wissen vermittelt werden. Die Bibliothek mit ihren drei Millionen Besuchern pro Jahr soll ein Anker für weitere Bildungseinrichtungen privater Investoren werden. Eine Stadt des Wissens in Tempelhof - das ist nicht schlecht. Es ist der erste Sieg des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit in den laufenden Verhandlungen mit der CDU. Denn die Union hatte den 270 Millionen Euro teuren Neubau im Wahlkampf noch als unsinnig kritisiert. Nun macht sie das Vorhaben möglich - in einer finanziell wohl etwas abgespeckten Version. Trotzdem braucht Tempelhof noch Ideen, was aus dem großen Flughafengebäude werden soll. Sicherlich kann man dort das Alliierten-Museum aus Dahlem unterbringen - aber auch noch viel mehr. Es wird die Aufgabe der neuen Landesregierung sein, eine langfristig tragfähige Perspektive für Tempelhof zu finden. Genau darum geht es aber auch bei der Regierungsbildung in Berlin insgesamt: eine neue Perspektive für die nächsten fünf Jahre. Wofür will Rot-Schwarz stehen? Da sind zum einen sicherlich die Infrastrukturprojekte: die A 100 und der Großflughafen in Schönefeld. Hier können mit öffentlichem Geld und öffentlichen Aufträgen neue Jobs auch von privaten Investoren entstehen. Das würde der von der hohen Langzeitarbeitslosigkeit gebeutelten Hauptstadt guttun. Aber nur auf teures Bauen zu setzen, wäre für Rot-Schwarz sicherlich zu wenig. Die Koalitionäre in spe müssen sich ein Thema für die nächsten Jahre suchen, unter das sie ihre Regentschaft stellen wollen, das auch zukunftsfähig ist. Da könnte ein anderes Politikfeld in den Vordergrund rücken: die Gesundheitspolitik. Berlin könnte sich als "die gesunde Stadt" präsentieren, als die Stadt mit Charité und Vivantes, mit Hochleistungsmedizin und einer guten Allgemeinversorgung. Mit Zehntausenden Arbeitsplätzen in Krankenhäusern, Kliniken und nicht zuletzt auch in den Forschungseinrichtungen. Dazu sind wichtige Strukturentscheidungen beispielsweise für die Charité und Vivantes nötig. Berlin hat weit mehr zu bieten als viele andere Städte. Die Spitzenmedizin nutzen auch immer mehr Menschen aus dem Ausland. Insofern wäre es auch für die Ankurblung der heimischen Gesundheitswirtschaft wichtig, dieses Themenfeld außerhalb von Berlin in den Mittelpunkt zu rücken. Und nicht zuletzt geht es auch um die Berliner, die die Krankenhäuser im Krankheitsfall nutzen oder die dort einen Job erhalten können. Eine umfassende Gesundheitspolitik könnte schließlich auch auf den hohen Naherholungswert der Stadt mit ihren Sport- und Freizeitangeboten verweisen. Berlin - die gesunde Stadt. Das wäre vielleicht eine Überschrift für die Politik der nächsten fünf und mehr Jahre. Regieren ist mehr als nur verwalten.
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