Ferdinand von Schirach exklusiv in TV DIGITAL: "Ich bin gegen die Stärkung des Opferschutzes im Strafprozessrecht"
Hamburg (ots)
Ab dem 15.9. zeigt das ZDF vier neue Folgen der Krimireihe "Schuld". Die Geschichten basieren auf wahren Fällen des Strafverteidigers Ferdinand von Schirach ("Terror"). In TV DIGITAL (EVT: 25. August) verrät von Schirach exklusiv, was er denkt ...
... über Täter- und Opferschutz: "Der Strafprozess kann und wird Opfern nie die Genugtuung geben, die sie erhoffen. Und er ist auch nicht dafür da. Es kann nicht die Aufgabe des Richters sein, sich um die Opfer zu kümmern. Er urteilt über die Schuld des Angeklagten. Für die Opfer gibt es unzählige Organisationen - staatliche und nicht staatliche -, die das viel besser leisten können. Ich bin völlig dagegen, im Strafprozessrecht den Opferschutz noch weiter zu stärken. Das alles ist dem Wesen der Strafprozesse fremd."
... über Gerechtigkeit: "Das ist ein sehr schwieriger Begriff. Manchen sind die Urteile zu milde, anderen zu hart - es kommt auf den Standpunkt an, und das wird sich nie ändern. Aber, so hart das auch klingt: Das Ziel der Justiz ist nicht Gerechtigkeit, sondern Rechtssicherheit."
... über veraltete Begriffe im Sprachgebrauch der Justiz: "Ob der veraltete Sprachgebrauch an modernere Sichtweisen angepasst werden müsste, ist eine schwierige Frage, über die viel gestritten wird. Viele dieser Begriffe stammen aus der Nazizeit, klingen scheußlich und meinten oft etwas anderes. Interessant ist die Frage, ob die absolute Strafandrohung 'lebenslänglich' überhaupt vernünftig ist. Sie schränkt den Richter oft zu sehr ein."
... über Videobeweise, Vorratsdatenspeicherung und Gesichtserkennung: "Was in Zukunft erlaubt sein wird, darüber müssen wir alle diskutieren. Wollen wir eine Überwachung? Darf der Staat meine E-Mails lesen? Wir geben unsere Daten freiwillig Google, Amazon, Apple, Facebook und Twitter. Müssen wir nicht auch vor diesen Firmen geschützt werden?"
... über Neil Gorsuch, den Donald Trump beim Supreme Court installierte: "Ich glaube nicht, dass der US-Präsident die Justiz manipulieren kann. Gerade in Amerika verhalten sich Bundesrichter oft nach ihrer Ernennung anders, als sich die Politiker das vorgestellt haben. Die Richter sind unabhängig. Für das Bundesverfassungsgericht gilt übrigens das Gleiche. Adenauer regte sich oft über die Richter aus Karlsruhe auf, er war beleidigt und ungehalten über deren Urteile, aber letztlich fügte er sich. Natürlich ist jede 'Branche' manipulierbar, solche Dinge können nie völlig ausgeschlossen werden. Aber die Unabhängigkeit der Richter und deren Selbstverständnis lassen sie wenig gefährdet erscheinen."
Alle Zitate nur bei Nennung von TV DIGITAL frei. Das Interview wird veröffentlicht am 25.8.
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Mike Powelz
Chefreporter TV DIGITAL
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