Bayerische Landesärztekammer (BLÄK)
Mehr Delegation wagen - mehr Kooperationen eingehen
München (ots)
Der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), Dr. Max Kaplan, geht mit einer klaren Botschaft in den 74. Bayerischen Ärztetag in Deggendorf: "Ärzte sind unersetzbar", auch wenn das Arztbild einem Wandel unterworfen ist. Kaplan will die Kooperationen von Ärzten untereinander und mit anderen Gesundheitsberufen stärker fördern sowie die Situation des ärztlichen Nachwuchses verbessern. Auch in telemedizinischen Anwendungen sieht Kaplan Potenziale.
Delegation
"Gut qualifizierte Angehörige medizinischer Fachberufe können uns Ärztinnen und Ärzte entlasten, damit wir wieder das tun können, was wir eigentlich sollen: heilen und betreuen", so Kaplan. Dabei sei es essenziell wichtig, die Grenzen zur Heilkundeausübung durch Ärzte klar festzulegen. Eine schleichende Substitution, wie beispielsweise im Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) angedacht, erteilte Bayerns Ärzte-Chef eine Absage. Medizinische Fachangestellte (MFA) mit besonderer Zusatzqualifikation, z. B. als Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH), Nicht-ärztliche Praxisassistentin (NäPa), fachspezifisch qualifizierte MFA, Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung oder Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen, könnten die Ärzte bei der Versorgung der Patienten unterstützen. Kaplan begrüßte diese Qualifikationen ausdrücklich, da sie insbesondere in den Arztpraxen bei der Versorgung chronisch Kranker und beim Case- und Praxismanagement oder bei der Bewältigung der zunehmenden Verwaltungsarbeit arztentlastend und -unterstützend tätig werden könnten. Auch der Studiengang Physician Assistent (PA) sei begrüßenswert, vorausgesetzt der PA ist ein ausschließlich auf Delegation bzw. Assistenz zielendes Konzept. "Dies ist bezüglich der Patientensicherheit wichtig, wird aber andererseits der Versorgungsnotwendigkeit gerecht", so Kaplan. Es dürfe nicht um ein Geschäftsmodell im Sinne eines "Arzt light" gehen. Auch könne dadurch niemals der Ärztemangel behoben werden.
Kooperationen
"Unsere Antwort auf den Ärztemangel lautet: Kooperation und Delegation", sagte Kaplan. Beispielsweise könne jede Woche eine freiwerdende Hausarzt-Stelle nicht nachbesetzt werden und bei den Fachärzten zeichne sich eine ähnliche Entwicklung ab. Zirka 1.000 offene Stellen gebe es im stationären Bereich allein in Bayern. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für moderne Versorgungsformen seien mittlerweile flexibel, was die Organisationsform der Praxis und vor allem das Arbeiten im Team betreffe. Wo früher der niedergelassene Arzt in seiner Einzelpraxis die Regel war, gebe es heute ganz unterschiedliche Praxisformen und Möglichkeiten der Kooperation. Derzeit arbeiten bundesweit 13.465 Ärzte und Psychotherapeuten in 2.073 Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), 52.475 in 19.754 Gemeinschaftspraxen und 89.433 in 82.582 Einzelpraxen. (Quelle: www.kbv.de - Anzahl der vertragsärztlichen Einrichtungen und Ärzte, MVZ-Statistik der KBV/Bundesarztregister, Stand 31.12.2014). Noch ist die Einzelpraxis die gängigste Form der Berufsausübung niedergelassener Ärzte.
Der Trend: Die Ärztinnen und Ärzte von heute und morgen wünschen sich neben ihrem beruflichen Engagement eine zunehmend ausgewogene Work-Life-Balance, also eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf. Bürokratieabbau, Reduzierung des Dokumentationsaufwandes, flexible Arbeitszeiten (Teilzeit bzw. Angestelltenverhältnis), ein ausreichendes Schul- und Betreuungsangebot für die Kinder, die berufliche Verwirklichung des Lebenspartners usw. seien wichtige Standortfaktoren. "Hier ist es auch die Pflicht des Staates und der Kommunen für eine adäquate Infrastruktur zu sorgen." Die Zukunft liegt für Kaplan insbesondere in innovativen Versorgungskonzepten und der Kooperation. Dies beginnt mit der Stärkung des Teamgedankens in den Praxen und führt zu verstärkter Kooperation innerhalb der Ärzteschaft und mit anderen Gesundheitsberufen sowie zur Neustrukturierung des Bereitschaftsdienstes. Die Abschaffung der Residenzpflicht und die Zulassung der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) durch den Verordnungsgeber seien hierbei wichtige Schritte gewesen.
Fazit: Moderne Versorgungsformen heiße ganz klar arztgleiche oder auch fachübergreifende Gemeinschaftspraxen (19.754), arztgruppengleiche oder -übergreifende Medizinische Versorgungszentren. (2010: 1.612 MVZ mit 6.919 angestellten Ärzten; 2014: 2.073 MVZ mit 13.465 Ärzten (90% angestellte Ärzte, 10% Vertragsärzte), regionale Versorgungszentren oder Praxisnetze (ca. 400 mit über 30.000 Ärzten).
Medizinstudium
Schließlich forderte Kaplan, dass mindestens zehn Prozent mehr Studienplätze pro Jahr in unserem Land zur Verfügung stehen müssten. Derzeit werden jährlich rund 10.600 Studierende zum Medizinstudium zugelassen. Außerdem müsse die aktuelle zu starke Fokussierung auf die Abiturnote aufgegeben werden. Soziales Engagement, psychosoziale Kompetenz und bereits abgeschlossene Ausbildungen in Gesundheitsberufen müssten in einem neuen Kriterienkatalog stärker berücksichtigt werden. Ferner sollten die Hochschulen bei der Studienplatzvergabe von der Möglichkeit stärker Gebrauch machen, Studierende selbst auszuwählen. Begrüßenswert sei der "Masterplan Medizinstudium 2020", den das Bundesgesundheitsministerium im Mai dieses Jahres begonnen hat. Ein absolutes "No-Go" seien jedoch Bachelor- und Masterstudiengänge in der Humanmedizin. "Die Förderung des ärztlichen Nachwuchses funktioniert nur über Motivation und Werbung für eine attraktive und erfüllende ärztliche Tätigkeit. Unterstützend hierbei wirken Fördermaßnahmen; Zwangsmaßnahmen sind kontra-produktiv", ist Kaplan überzeugt. "Wir benötigen innovative Wege in der Patientenversorgung, sonst kommen die Jungen später gar nicht mehr in der ambulanten oder stationären Versorgung an." Dies gelte auch für den Landarztmangel, der nicht durch eine Landarztquote, im Sinne einer "Landverschickung", beseitigt werden kann, sondern durch einen höheren Stellenwert der Allgemeinmedizin in der Ausbildung, eine qualifizierte Weiterbildung, verbesserte berufliche Rahmenbedingungen wie auch die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur im ländlichen Raum.
Telemedizin
Und noch ein Thema sprach Bayerns Ärzte-Präsident vor der Tagung an: "Telemedizin und andere internetbasierte Techniken haben ein großes Zukunftspotenzial. Dennoch seien Gesundheits-Apps und Portale mit Vorsicht zu nutzen, da sie persönliche Daten transparent machen. Telemedizin kann keine Ärzte ersetzen oder den Ärztemangel kompensieren." Den Arzt zeichnen insbesondere das ärztliche Ethos und die ärztliche Haltung aus, aus der heraus die ärztliche Betreuung resultiert - mit der Übernahme von Verantwortung, Indikationsstellung und kritischer Selbstreflexion. Technik und Berechnung von medizinischen Daten würden nie eine ärztliche Diagnose ersetzen können. Telemedizinische Anwendungen könnten aber sehr wohl das Gesundheitssystem nachhaltig entlasten, vorausgesetzt diese sind technisch ausgereift und der Datenschutz sowie die Patientensicherheit sind gewährleistet. Angesichts des erheblichen Nachbesserungsbedarfs beim anstehenden "e-Health-Gesetz" müssten diese Argumente sorgsam abgewogen werden - ohne politischen Druck mit vorgegebenen Terminen und Sanktionen. Eine Telematik-Infrastruktur müsse hohen Sicherheitsanforderungen genügen, geht es doch z. B. um Versichertenstammdatenabgleich, elektronische Arztunterschrift, Notfalldaten, Medikation und Versand von "eArztbriefen und eEntlassbriefen". Telemedizinische Anwendungen beinhalten beispielsweise Teleconsulting, -monitoring und -diagnostik zur Verbesserung der Patientenversorgung mit verkürzten Wege- und Wartezeiten.
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