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WAZ: Polen blockiert EU-Verfassung: Die bockigen Brüder - Leitartikel von Gerd Niewerth

Essen (ots)

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat eine Reihe
beachtlicher Erfolge vorzuweisen. So wurden unter dem Berliner 
EU-Vorsitz anspruchsvolle Vorhaben wie die TV-Richtlinie oder der 
Europäische Zahlungsverkehr professionell unter Dach und Fach 
gebracht. Gemessen wird der sechsmonatige EU-Auftritt des Teams 
Merkel jedoch einzig und allein an der Frage, ob es auf dem EU-Gipfel
in einer Woche gelingen wird, Europa aus der seit zwei Jahren 
währenden Verfassungskrise herauszuführen.
Gewiss: 18 EU-Länder haben der EU-Verfassung schon zugestimmt, 
aber das reicht bei weitem nicht. Seit dem "Nee" der Niederländer und
dem "Non" der Franzosen steckt die EU tief in der Sackgasse. 
Tatsächlich erweisen sich die Neinsager von 2005 aber mittlerweile 
als das geringste Problem. Frankreichs neuer Präsident Sarkozy 
entpuppt sich sogar als engagiertester Verbündeter der Kanzlerin.
Die wahren und gefährlichsten Blockierer sitzen in Warschau und -
fast schon traditionell - in London, zum Teil auch in Prag. Es sind 
die Kaczynski-Brüder, die die geplante doppelte Mehrheit im 
Ministerrat als inakzeptable Schwächung Polens kategorisch ablehnen. 
Was treibt die Brüder an: Gönnen sie etwa Angela Merkel den Erfolg 
nicht? Das wäre kleinkariert. Immerhin scheint die Zähmung der 
Widerspenstigen erste Erfolge zu zeigen. Gegenüber Krisenmanager 
Sarkozy signalisiert Präsident Kaczynski nun Einlenken.
Trotzdem bleibt die Lage bedrohlich: Indem die Kaczynskis zwei 
Dutzend EU-Staaten regelrecht erpressen, stellen sie gleichzeitig das
gesamte europäische Einigungswerk infrage. Mehr noch: Wer den Vertrag
- ob er nun Verfassung, Grundgesetz oder ganz schlicht 
Änderungsvertrag heißt - blockiert, schlägt gleichzeitig den 
beitrittswilligen Völkern des Balkans die Tür zu. Die Kroaten wären 
die ersten, denen der Zutritt zum Hause Europa versperrt wäre - weil 
Erweiterungen ohne grundlegende Verfassungsreform sinnlos sind.
Von einem Plan B für den Fall des Scheiterns wird in Brüssel nur 
im Flüsterton gesprochen. Wie er aussähe, liegt auf der Hand. Stellen
sich Polen und Großbritannien weiterhin quer, wird es zwangsläufig 
ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben, eine Zwei- bzw. 
Drei-Klassen-Gesellschaft wäre die Folge. Dann sollten die Polen und 
Briten in den Spiegel schauen und sich die Grundsatzfrage stellen, ob
sie dem Klub überhaupt noch angehören wollen. Das Fatale: Das 
Einigungswerk Europa wäre auf jeden Fall kaputt.

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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