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WAZ: "Die Linke" - welche Anmaßung: Und die SPD? - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Am Wochenende haben sich, dieses Mal völlig
freiwillig, einstige Sozialdemokraten wie Gewerkschafter mit dem 
graumäusigen, nostalgischen, geschichtsklitternden Überrest des 
DDR-Kommunismus' verbunden. Ist es noch interessant, dass gestern der
Tag war, an dem in Deutschland (West) stets des Volksaufstandes gegen
die DDR-Diktatur von 1953 gedacht wurde?
Wen wandelt diese Annäherung? "Rot-Rot ist nur noch eine Frage 
der Zeit", schreibt die Welt am Sonntag. "Die rote Republik", 
schlagzeilt der Spiegel. Vorschnell? Von wegen. Längst spechten 
Sozialdemokraten an dieser Mauer herum, den alten 
Abgrenzungs-Ritualen von Beck und Co. zum Trotz. In 
Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft, indem sie über eine gesamtlinke 
Mehrheit nachsinnt, im Saarland Heiko Maas, der kurz vor der 
Bundestagswahl gegen Lafontaine antreten muss und schon jetzt 
kapituliert, in Hessen Andrea Ypsilanti. In Berlin läuft die Chose ja
schon. Und selbst Sigmar Gabriel legt sich in die Kurve: "Ich hätte 
nichts dagegen, wenn sich die Ex-PDS-Bundestagsfraktion entlang der 
Lernkurve der Berliner Fraktion entwickeln würde." Motto: Wenn diese 
Wildgewordenen vernünftig werden, wird's schon gehen. Im Fall der 
Grünen haben Sozialdemokraten zehn Jahre gebraucht, um zu verlieren. 
So lange wollen sie dieses Mal, so scheint es, nicht warten.
Die SPD hat keine Strategie gegen die so genannte "Linke" (welch 
eine Anmaßung, eine ganze, stolze, 150 Jahre alte Bewegung für eine 
einzelne, zudem fortschrittsfeindliche, nationale, 
anti-multikulturelle Partei aus gefühlten Wiedervereinigungs- und 
Globalisierungs-Verlierern vereinnahmen zu wollen). Kein Zweifel, 
dass die sozialdemokratische Basis nach links will. Sie wollte 
Schröders Agenda nicht, nicht die schmerzvolle Renovierung der 
Sozialsysteme, nicht einmal die zaghafte bei der Rente, nicht die 
Steuersenkungen, schon gar nicht für Unternehmen. Dieser 
sozialdemokratische Mainstream, er verzweifelt an der Großen 
Koalition, an Merkel, und fremdelt mit Beck. Die starken 
Traditions-Kompanien finden Unterstützung bei Gewerkschaften, von 
denen, über IG Metall, Verdi bis hin zum DGB-Chef, immer mehr offen 
mit der Links-Partei liebäugeln.
Die SPD wird sich entscheiden müssen. Regierungsfähig bleiben, 
Fortschritt gestalten, Aufstieg und Teilhabe ermöglichen, usw., oder:
zurück in die Wohlfühl-Rebellion der siebziger Jahre. Wer die 
Links-Partei links einfangen will, der sollte doch gleich versuchen, 
eine Grippe mit Schnupfen-Viren zu bekämpfen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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