Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Etwas Bewegung in Nahost: Wenig Substanz, viel Symbolik - Leitartikel von Hendrik Groth
Essen (ots)
Von der Wiederbelebung des Friedensprozesses ist die Rede. Große Worte für etwas Bewegung in Nahost. Ob die Konfliktparteien dabei aus der Sackgasse kommen, in der Israelis und Palästinenser gleichermaßen stecken, darf bezweifelt werden. Weiterhin sind so viele Unbekannte Teil der komplizierten Rechnung, dass ein positives Ergebnis wenig wahrscheinlich ist.
Der Westen etwa nimmt die Machtergreifung der Hamas im Gazastreifen zum Anlass, eine wacklige Strategie der Öffentlichkeit vorzustellen, von der niemand weiß, ob sie tatsächlich langfristig angelegt ist, oder nur kurzfristige PR-Erfolge bringen soll. So sollen die Islamisten in Gaza isoliert werden, die säkulare Fatah aber für ihre Zusammenarbeit mit Israel belohnt werden. Kurzum: Der Gute bekommt ein Zückerchen, der Böse wird abgestraft. Das ist weniger Politik als vielmehr leere Symbolik.
Unabhängig von der zweifelhaften Definitionshoheit, wer der "Gute" im Spiel ist, die Fatah wurde vor allem wegen der Korruption um ihren früheren Anführer Arafat von den Palästinensern abgestraft, sprich in vergleichsweise sauberen Wahlen abgewählt. Die Fatah ist in unterschiedliche Milizen zersplittert, vielerorts genauso radikal wie die Hamas, seriöse Gesprächs-, oder noch viel wichtiger, Verhandlungspartner sehen anders aus.
Dennoch wird Israel über seinen Schatten springen müssen, sollte die Staatsführung wirklich Fortschritte im Sinn haben. Dann muss Premier Olmert Palästinenserpräsident Abbas etwas anbieten. Etwas, das die Menschen davon überzeugt, dass Diplomatie mehr Erfolg als Krieg verspricht. Eine Teilfreigabe von zurückgehaltenen Steuereinnahmen ist so etwas nicht, auch nicht die Freilassung von einigen hundert Palästinensern, die wegen kleinerer Verbrechen in israelischer Haft sitzen. Olmert muss mit Abbas verbindlich über den Endstatus der Autonomiegebiete sprechen, ohne dabei die Sicherheit Israels zu gefährden.
Das ist fundamental etwas anderes, als die symbolische Aufhebung einer Straßensperre, die den Menschen ihren Alltag erschwert. Bei diesem Unterfangen braucht Israel die konsequente Rückendeckung des Westens. Und erneut stellt sich die Frage, ob nicht wieder PR statt wirklicher Verbundenheit ins Spiel kommt. Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair ist als Vermittler im Gespräch. Das klingt nicht übel, vor allem in den Ohren von Europäern und US-Amerikanern. Ob Araber und Palästinenser den Irak-Kriegsbefürworter allerdings als geeignet ansehen, mag jedoch dahingestellt sein.
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