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WAZ: Integrationsgipfel bei Merkel: Klartext im Kanzleramt - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Harald Schmidt hat unlängst veranschaulicht, was ein
Migrationshintergrund seiner Auffassung nach ist, indem er eine 
fahrbare Stellwand in seine Sendung rollte, die mit Fladenbrot und 
Knoblauchzehen, mit Bärten und bunten Tüchern behängt war. Schmidt 
saß davor, weshalb er einen Migrationshintergrund hatte. Aus dem Bild
konnte man einige Botschaften lesen, vor allem aber, welche 
begrifflichen Kunststücke die Deutschen in den Jahrzehnten versäumter
Integration absolviert haben, um Toleranz und Distanz auszudrücken. 
Aus Multikulti wurden schließlich Menschen mit Migrationshintergrund 
- politisch korrekt, abstrakt, akademisch.
Insofern muss man es als gutes Zeichen bewerten, dass es um den 
Integrationsgipfel zum offenen Streit gekommen ist, weil im Streit 
meist eine deutlichere Sprache durchbricht. Die Absage türkischer 
Verbände, die eine Korrektur des Zuwanderungsgesetzes erpressen 
wollten, hat der Bundesregierung gezeigt, dass nicht alle hier 
lebenden Ausländer ungeduldig auf Integration gewartet haben. Die 
Vertreter dieser Verbände hätten im Kanzleramt darüber diskutieren 
können, warum minderjährige Ehepartner ohne einfache 
Deutschkenntnisse aus der Türkei (und anderen visumspflichtigen 
Ländern) nicht nachziehen dürfen, während Australier keine 
Sprachkenntnisse vorweisen müssen. Aber sie scheuten das Argument, 
dass es in Deutschland keine australischen Parallelgesellschaften 
gibt, in denen viele Männer ihre zum Teil zwangsverheirateten Frauen 
von der Gesellschaft, von deren Sprache und Leben fernhalten.
Die eindeutige Reaktion von Angela Merkel auf den 
Erpressungsversuch - "Der Bundesregierung stellt man keine Ultimaten"
- hat den türkischen Verbänden gezeigt, dass sie in einer Demokratie 
leben, in der die Mehrheit ihre Entscheidungen nicht von einer 
Minderheit revidieren lässt. Diese Mehrheit, auch das ist deutlich 
geworden, wird der noch nicht integrierten Minderheit künftig mehr 
abverlangen. Mehr Sprachkenntnisse, Bildung und Arbeitsbereitschaft. 
Wer das als diskriminierend empfindet, der sollte berücksichtigen, 
dass dieses Prinzip des Förderns und Forderns auch für deutsche 
Familien gilt, die fern von Bildung, Arbeit und Gesellschaft leben.
Integration bedeutet die "Wiederherstellung eines Ganzen", einer 
Gesellschaft also, die den Namen verdient, weil man einander nicht 
aus dem Weg geht. Nach allem im Streit Gesagten kann vielleicht eine 
ehrliche Annäherung folgen. Integration erfordert eben nicht nur 
Deutschkenntnisse, sondern auch eine klare Sprache.

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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