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WAZ: Industrie-Politik Deutschland darf nicht sein wie Frankreich - Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Heute diskutieren Kanzlerin Merkel und Frankreichs
Staatspräsident Sarkozy über die Zukunft des europäischen Luft- und 
Raumfahrtkonzerns EADS: Wer darf wie viele Anteile halten, wer den 
Chef stellen? Das wäre nicht weiter spektakulär, hätten nicht 
Spitzenpolitiker aus CDU und SPD die nationale Industriepolitik des 
zentralistisch und etatistisch geführten Frankreichs als Vorbild 
hervorgehoben. Damit droht eine Kehrtwende der deutschen 
Wirtschaftspolitik, die bisher auf eine offene Wettbewerbswirtschaft 
setzte.
Frankreich macht es besser, lautet der Tenor aus deutschen 
Landen. Paris verhinderte unliebsame Übernahmen wie weiland von 
Danone durch Pepsi, macht politischen Einfluss geltend, wenn es um 
den Schutz seiner nationalen Champions geht. Eine Folge: Von den 50 
größten börsennotierten EU-Konzernen stammen 23 aus Frankreich, nur 
13 aus Deutschland. Hessens Ministerpräsident Koch (CDU) und 
Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) machen sich zu Schutzpatronen 
deutscher Unternehmen. Koch möchte eine Brandmauer gegen ausländische
Staatskonzerne und Staatsfonds errichten; Steinbrück will das auch 
und noch dazu nach Pariser Vorbild eine Liste mit schützenswerten 
Branchen, in denen Übernahmen - ob von Privat oder Staat - von Staats
wegen zu genehmigen sind.
Die Frage ist, was mehr beunruhigt: Ein mit 200 Milliarden Dollar
gespickter Staatsfonds Chinas, der mit einem Happs alle 30 deutschen 
Dax-Konzerne schlucken könnte oder solcherlei Betriebsamkeit der 
politischen Schutzmänner?
Richtig an deren Argumenten ist: Deutschland muss nicht tatenlos 
zusehen, wenn ein Unternehmen wie etwa RWE von einem Staatskonzerns 
wie der französischen EdF übernommen wird. Schließlich kommt das 
einer Verstaatlichung gleich. Gefährlich an den Argumenten ist der 
Mainstream. Madrid tut es, Paris tut es, Washington tut es auch. Ist 
nun Deutschland dumm, wenn es zusieht, wie BNP Paribas mit 
Schützenhilfe aus Paris die Deutsche Bank aufkauft? Ja, so kann man 
das sehen.
Allerdings bedeutet diese Sichtweise das Ende der bisherigen 
deutschen Europa-Politik, die im Sinne des Ganzen zurücksteckt, die 
kleineren Ländern Chancen und Teilhabe einräumt - und Sorge vor einem
allzu mächtigen Deutschland ausräumt. Deutschland ist nicht 
Frankreich, schon gar nicht vor der Geschichte. Eine aufs Nationale 
ausgerichtete Wirtschaftspolitik würde in der europäischen Tektonik 
weit mehr ändern als der EU und Deutschland gut täte.

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Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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