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WAZ: Kinderarmut Was der Gesellschaft verloren geht - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Die Gehälter deutscher Manager bewegen sich in den
Wolken, während unten im Land immer mehr Kinder unter Armut leiden. 
Der Zufall will es, dass in dieser Woche eine Zahl veröffentlicht 
wurde, die beides abbildet: 1,9 Millionen. So viele Euro verdienen im
Schnitt die Vorstände der 30 größten börsennotierten Unternehmen im 
Jahr. So viele Kinder leben in Familien, die Arbeitslosengeld II 
beziehen.
Das Argument ist bekannt, dass die Gehälter von Managern allein 
den Gesetzen der Wirtschaft unterlägen. Wer viel Verantwortung 
übernehme, der müsse viel verdienen. Doch Verantwortung von 
Arbeitgebern bemisst sich schon länger nicht mehr darin, ob sie 
Arbeit geben, sondern ob sie Gewinn optimieren. Als Begründung für 
die Entlassung von Tausenden Angestellten wird stets bemüht, dass die
Wirtschaft international wettbewerbsfähig sein müsse. Und wenn es der
Wirtschaft gut gehe, dann gehe es den Menschen gut. Das hat die 
Politik lange Zeit glauben wollen und einem aussterbenden 
Unternehmergeist vertraut, in dem Verantwortung sich auch auf 
Menschen bezogen hat. Jahrelang hat die Politik versucht, der 
Wirtschaft aufzuhelfen, aber im Aufschwung zeigt sich, dass 
hauptsächlich die Unternehmer profitieren. Zugleich nimmt die Armut 
zu, von der Kinder in ihrer Hilflosigkeit am schlimmsten betroffen 
sind.
Kinderarmut hat zwei dramatische Bedeutungen. Deutschland hat zu 
wenig Kinder. Und unter den wenigen Kindern sind immer mehr arm. Sie 
haben schlechtere Bildungschancen und ein höheres Gesundheitsrisiko. 
Oft können sie von ihren Eltern nur eines erben: Arbeitslosigkeit. 
Man muss nicht einmal Werte wie Anstand bemühen, um die Zustände in 
Deutschland als unhaltbar zu bezeichnen. Man kann das auch kühl 
ökonomisch berechnen. Wenn immer mehr Kinder in dieser Gesellschaft 
verloren gehen, dann wird sie diese Form von Kapitalismus nicht 
überleben.
Unter dem Druck von Umfragen, in denen auch Besserverdienende 
mehr soziale Gerechtigkeit für Ärmere fordern, hat die Koalition die 
Kinderarmut offenbar als Herausforderung begriffen. Es macht ein 
wenig Mut, dass endlich einmal zwei Ministerien zusammenarbeiten, die
in der Vergangenheit recht wenig Umgang miteinander hatten, aber in 
Wahrheit eng zusammenhängen. Familie und Arbeit. Man kann nur hoffen,
dass bei diesem Wettbewerb ums soziale Profil die Bedürftigen die 
Gewinner sein werden. Bei der Kabinettsklausur in der kommenden Woche
in Meseberg wird sich abzeichnen, ob die Große Koalition das Problem 
in seinem Ausmaß erkannt hat.

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