Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: SPD und Union im Wettbewerb: Die Partei der Sicherheit - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Gestern legte die SPD-Justizministerin vernünftige Sicherheitsgesetze vor: Wer in pakistanischen Terror-Camps auf Terrorist umschult, wird bestraft, ebenso, wer, wie die Islam-Konvertiten Daniel und Fritz, Sprengstoff-fähiges Material hortet. Und doch hat dies Zypries nicht lustvoll entschieden, sondern leidend: Die Gesetze gehen auf den Druck der Union zurück.
Die Dinge haben sich grundlegend geändert, nicht nur, weil der Sicherheitsminister nicht mehr Otto Schily heißt. Wobei CDU-Amtsinhaber Schäuble, der gestern 65 Jahre alt wurde, nicht erst RAF-Anwalt sein musste, um der heftigste Repräsentant für Recht und Ordnung zu werden. Konservativ ganz im Sinne des Staatsrechtslehrers Forsthoff, eines seiner intellektuellen Vorbilder, war Schäuble immer schon; überzeugt vom starken Staat. Schäubles Lieblingsgedanke: Der Staat sei schwach und stark zugleich. Schwach, wo er stark sein sollte: bei der inneren Sicherheit. Stark, wo er schwach sein sollte: im Sozialen. Die Wünsche der Bevölkerungsmehrheit, die nach einem starken Staat im Sozialen wie in der Sicherheit rufen, hielt Schäuble (nicht ohne Arroganz) immer für ein Missverständnis.
Die Debatte um die innere Sicherheit war noch stets bestimmt von Parteipolitik, wie sollte es auch anders sein. Unter Rot-Grün agierte die SPD als Mehrheitspartei staatstragend und also sicherheitsorientiert. In der Großen Koalition hat diese Rolle die Union eingenommen, die auf diesem Feld immer schon einen Vorsprung hatte an Glaubwürdigkeit. Die SPD, stets hin- und hergerissen zwischen einem staatsorientierten und einem linksliberalen Flügel, hat sich aktuell in eine Bremserrolle begeben. Dies auch darum, weil die Sozialdemokraten sich in der Großen Koalition in eine Verlierer-Position gedrängt sehen. Umso verzweifelter suchen sie nach Themen, mit denen sie sich von der Union abgrenzen können. Dazu zählt die innere Sicherheit. Ob die SPD damit punkten kann, ist fraglich.
Wahrscheinlich war Schily mit seinem Vorstoß, von Terroristen entführte Passagier-Flugzeuge, die auf ein voll besetztes Fußball-Stadion zufliegen, abschießen zu können, näher an der SPD-Basis als Zypries, die dies ablehnt. Denn die Menschen wissen, dass es ja nichts hilft. Es ist wie in der griechischen Tragödie. Man hat nur die Wahl zwischen zwei Übeln und stets geht es übel aus. Inzwischen ist eine Mehrheit auch für Onlinedurchsuchungen. Die SPD sollte ihre Position überdenken. Gerade ihre "Kundschaft" wünscht sich den Staat umfassend stark. Im Sozialen wie bei der Sicherheit.
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