Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Der schöne Traum von Integration - Leitartikel von Wolfgang Pott
Essen (ots)
Integration ist ein schönes Wort. Wer integrieren will, ist ein guter Mensch, ist weltoffen und gesellschaftstauglich. Wer nicht integrieren will, ist mindestens ein Sturkopf, vielleicht sogar ein Rassist. Und weil die Grenzen zwischen Integration und Ausgrenzung so eng gesteckt sind, wird in Deutschland seit Jahren eine scheinheilige Debatte um dieses Thema geführt.
Es gibt viele Beispiele, wo Integration hier zu Lande funktioniert, wo Ausländer, Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Behinderungen in der Gesellschaft akzeptiert sind. In Kindergärten und Schulen oder in Sportvereinen etwa. Es gibt aber auch die vielen anderen Beispiele, über die man in Deutschland gar nicht gern spricht, aus Sorge, sich den Mund zu verbrennen.
Dass im Berliner Rollbergviertel Serben und Kroaten immer wieder aufeinander losgehen, ist die Folge falscher Integrations- politik. Dass im Dortmunder Stadtteil Scharnhorst nachts junge Deutsche mit russischen und polnischen Wurzeln Straßensperren errichten, ist ebenso problematisch.
Für Integration gibt es keine Faustformel. Das wissen die Verantwortlichen in der deutschen Wohnungswirtschaft schon lange. In den achtziger Jahren glaubten sie, die Lösung für alle Integrationsprobleme gefunden zu haben. Die sah in den Wohnblocks so aus: Türken zu Türken, Italiener zu Italienern, Polen zu Polen. Das hat aber nicht funktioniert, Ghettobildung war die Folge. Seit Jahren nun gehen die Wohnungsgesellschaften dem multikulturellen Ansatz nach. Ruhrgebietsunternehmen wie Gagfah, Deutsche Annington oder die Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft geben sich alle Mühe, organisieren Nachbarschaftstreffs, Mieterfeste, bieten Internet-Cafe´s und Schuldnerberatung. Doch auch damit stoßen die Unternehmen an ihre Grenzen. Wer sich nicht integrieren lassen will, dem ist nur schwer beizukommen.
Die Nassauische Heimstätte bricht nun erstmals ein Tabu und erklärt das Konzept der Integration in der Wohnungswirtschaft mit drastischen Worten für gescheitert. Watscht die Branche die Aussagen nicht gleich als Akt der Apartheid ab, könnte daraus sogar eine vernünftige sozialkritische Debatte entstehen. Jeder weiß doch um die Probleme, um Ghettobildung in den Städten, um die Abwanderung der Mittelschicht aus Problemvierteln. Städtebauer, Raumplaner und Wohnungswirtschaft sollten den Mut haben, diese Probleme offen anzusprechen. Ein Antidiskriminierungsgesetz allein verhindert ethnische Trennungen in den Städten auf jeden Fall nicht.
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