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WAZ: Das Wochenende vor Weihnachten: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit - Leitartikel von Angelika Wölk

Essen (ots)

Es gibt Jahreszeiten, in denen die Erwartungen so
hoch sind, dass die Luft schon danach riecht. Dieses Wochenende ist 
so eines, dieses Wochenende vor Weihnachten, dem Fest der Liebe. 
Jetzt bricht wieder die Zeit für die Gefühle an, die wir uns im 
normalen Leben schon lange nicht mehr eingestehen wollen. Es ist die 
Zeit der Erinnerungen, der Träume und der ungestillten großen 
Sehnsucht nach Harmonie und Frieden. Nichts drückt diese Sehnsucht 
nach Harmonie und Geborgenheit besser aus als dies: An Weihnachten 
kommen so viele Familien zusammen wie an keinem anderen Fest im Jahr.
Doch dieser große Wunsch nach Harmonie wird auch an diesem Fest 
nur all zu selten in Erfüllung gehen. Denn an Weihnachten machen wir 
- alle Jahre wieder aufs Neue - eine ungewohnte Erfahrung: Wir spüren
Nähe, menschliche Nähe. Es treffen wohl oder übel Menschen zusammen, 
die schon lange nicht mehr gewohnt sind, miteinander zu reden. Und 
viele müssen erst lernen damit umzugehen, dass die "Unbekannten" am 
festlich gedeckten Tisch die eigene Familie sind. Da wundert es 
nicht, dass es gerade an Weihnachten so häufig zu Streit und 
Konflikten kommt.
Und etliche Familien werden singen oder hören: "Stille Nacht, 
heilige Nacht,...". Aber was, wenn die Stille plötzlich da ist? Wenn 
sich, wie in diesem Jahr, die Sonn- und Feiertage nur so aneinander 
reihen? Wer hält Stille eigentlich noch aus? Wer vertreibt sie nicht 
viel lieber mit Aktivitäten, mit Aufgaben, Hektik und Stress?
Weihnachten, das ist nicht nur die Zeit der Gefühle, Weihnachten 
ist auch die Zeit, in der viele Menschen die Kluft zwischen Wunsch 
und Wirklichkeit schmerzlicher spüren als sonst im ganzen Jahr. Man 
besingt das "traute, hoch heilige Paar", sieht allerorten die kleine 
Familie um die berühmte Krippe dargestellt, doch im eigenen Leben 
gibt es bei vielen gar keine Familie mehr. Und immer mehr Kinder 
feiern Weihnachten zweimal - einmal beim Vater und einmal bei der 
Mutter. Andere Kinder verbringen die Tage vor dem Fernseher, weil es 
den Eltern schnuppe ist.
Dabei erwarten wir an Heiligabend, dass der Geist der Weihnacht 
uns beseelt. Doch stattdessen krachen Anspruch und Wirklichkeit wohl 
an keinem anderen Fest so hart aufeinander wie an diesem. Wer aber 
die Feiertage wirklich in Harmonie verbringen will, der muss früh mit
der Vorbereitung anfangen: Er muss im Alltag leben, was er sich zum 
Fest der Liebe wünscht.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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