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WAZ: Die Tarifrunde der Klinikärzte - Die Kleinsten sind die Mächtigsten - Leitartikel von Stefan Schulte

Essen (ots)

Einer Minderheit anzugehören, kann ein mächtiges
Privileg sein. Wer kann, was die meisten nicht können, ist rar und 
damit teuer. Auf diesem Vorteil basiert der wachsende Erfolg kleiner 
Splittergewerkschaften. Die Piloten blieben 2001 am Boden und 
erstritten 30 Prozent mehr Lohn. Die Lokführer legten den Zugverkehr 
lahm - elf Prozent. Nun sind wieder die Klinikärzte an der Reihe. 
Oder hinkt der Vergleich?
Er hinkt insofern, als dass Klinikärzte über die Stunden, die da 
in ihrem Arbeitsvertrag stehen, nur müde lächeln können. Sie arbeiten
in der Regel mehr als sie müssten und auch mehr als sie sollten. Wenn
sie deshalb mehr Geld verlangen, nutzen sie nicht einfach ihre Macht 
aus, Krankenhäuser lahmzulegen. Denn dass ohne sie Menschen leiden, 
ist gleichsam eine Bürde, die kaum angemessen entlohnt werden kann.
Andererseits führt der Marburger Bund alle Vorteile einer 
Spartengewerkschaft ins Feld. Er droht schon mit Streiks, bevor der 
Verhandlungspartner Luft holen kann. Und bevor die Ärzte überhaupt 
daran denken. Dabei hat die Gewerkschaft ihr Meisterstück bereits 
2006 gemacht: Seit dem ersten eigenständigen Tarifvertrag ist der 
Marburger Bund anerkannter Verhandlungspartner. Als solcher könnte er
zum tarifpolitischen Jahresgeschehen übergehen. Stattdessen fordert 
er, die Streikkeule schwingend, zehn Prozent, die keine Kommune 
zahlen kann.
Wie Piloten und Lokführer reklamieren die Klinikärzte eine 
Sonderrolle. Die weist ihnen die besondere Verantwortung ihres 
Berufes auch zu. Gleichwohl nehmen sie in Kauf, dass ihre 
Besserstellung Entbehrungen Anderer nach sich zieht. Die Klage der 
Patientenverbände über zu wenig Pflegepersonal in Kliniken ist nicht 
verhallt. In Zeiten fester Klinikbudgets geraten zwangsläufig weitere
Pflegestellen in Gefahr, wenn die Lohnkosten für Ärzte zu stark 
steigen.
Man mag den Ärzten mehr Geld wünschen. Dem Marburger Bund Erfolg 
zu wünschen, fällt schwer. Ihm haftet auch unter Ärzten der Ruch 
einer Elitegewerkschaft an. Schließlich holte er 2006 vor allem für 
die Oberärzte das Maximale heraus, während die unterbezahlten, 
überarbeiteten Assistenzärzte im Streikzelt das Volk beschwichtigen 
durften.
Hohe Forderungen stellen auch andere, auch die 
Massengewerkschaften. So verlangt die IG Metall acht Prozent mehr 
Geld in der Stahlbranche. Doch die boomt immerhin. Die meisten 
Arbeitgeber der Klinik-ärzte, die Kommunen, erleben den Boom als 
überschuldete Zuschauer.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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