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WAZ: Deutsche haben Design entdeckt - Der Tod der Schrankwand - Leitartikel von Hayke Lanwert

Essen (ots)

Wenn es stimmt, was Psychologen herausgefunden
haben, dass helle Farben einerseits die Stimmung heben, aber auch ein
Zeichen dafür sind, dass optimistischer in die Zukunft gesehen wird, 
dann hat der wirtschaftliche Aufschwung nun auch unsere Wohnzimmer 
erreicht. Zumindest kratzt er an der Haustür. Weiß, das ist auf der 
imm cologne, der Internationalen Möbelmesse in Köln, nicht zu 
übersehen, ist schwer angesagt. Weiß, die Nichtfarbe, die 
Leichtigkeit vermittelt, Frische und Reinheit. So wie es schon 
einmal, in den 60ern, in den Jahren des Aufschwungs, eine weiße Welle
gab.
Aber wie viel anders wohnen wir seitdem! Die Zeiten der guten 
Stube sind allemal vorbei. Küche, Ess- und Wohnzimmer gehen 
ineinander über. Wo in der Woche eher schnell oder gar nicht gekocht 
wird, wird das Essen am Wochenende ausgiebig und gern fachmännisch 
(!) zelebriert. Müßig, darüber zu spekulieren, was zuerst da war: 
Kerner und die Kochshows oder das Bedürfnis, mit Freunden rund um den
Küchenblock zu brutzeln. Esstische jedenfalls werden lang und länger,
massiver und edler, die Stühle rundherum geeignet, einen langen Abend
entspannt abzufedern.
Essen und Kommunikation gehören mehr denn je zusammen. So 
verlieren die Küchen, mit immer eleganteren Fronten und 
Arbeitsflächen ausgestattet, die einstige Anmutung des 
Arbeitsplatzes. Und je repräsentativer das Esszimmer, um so mehr 
Intimität strahlen ausufernde Sitz- und Wohnlandschaften aus. 
Multifunktional wie die neuerdings sind, darf hier parallel geflezt, 
gekuschelt, geschlafen und per Notebook im Internet gesurft werden. 
Der ideale Platz also für Familie und, wenn nicht vorhanden, für die 
Illusion von Familie.
In modernen deutschen Wohnungen, nicht mehr nur in denen der 
experimentierfreudigeren Jungen, sondern auch in jenen der so 
genannten Best Ager, findet die Schrankwand, das eiche-brutale 
Monster, keinen Platz mehr. Denn Design ist in. Funktional und 
schlicht sollen Möbel sein, auch wenn man bei TV-Einrichterin Tine 
Wittlers "Einsatz in vier Wänden" manchmal den Eindruck gewinnen 
könnte, sie habe "vorher" und "nachher" verwechselt.
Ikea hat Spuren hinterlassen. Skandinavisch helle und klare. Hat 
vielleicht sogar wieder hervorgelockt, wofür Deutschland in den 20er 
Jahren berühmt wurde, seine klare Formensprache.
Zehn Jahre, so lange dauert in der Zeitmessung der 
Möbelindustrie, ein Trend. Wenn Weiß also nicht nur Zeitgeist ist, 
dann stehen uns zehn gute Jahre bevor.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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