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WAZ: Wolfgang Clement und die SPD - Die Agenda 2010 als Sollbruchstelle - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Volksparteien, der Begriff deutet es an, müssen
vieles aushalten: interne Spannungen, Abspaltungen und Gezänk. Oft 
kommt dabei nicht mehr als kleinliche Vereinsmeierei heraus. Aber es 
geht auch anders. Denn während sich die Parteivorderen in ihrem 
Buhlen um eine breite Wählerschaft darum bemühen, den Spagat zwischen
Populismus und Profilierung verletzungsfrei zu überstehen, wartet der
interessierte Beobachter sehnsüchtig bis gierig darauf, dass die 
Vorsitzenden an eben dieser Aufgabe scheitern und sich daraus ein 
öffentlichkeitswirksames Spektakel ergibt. Um diesen Prozess in Gang 
zu setzen, bedarf es eines Initiators, der den ersten Stein wirft und
bereit ist, danach ordentlich Prügel zu beziehen - im aktuellen Fall 
hat sich der Sozialdemokrat Wolfgang Clement geopfert.
Hier stehe ich, und ich kann nicht anders, ruft der Ex-Parteivize
seinen Kritikern zu, die es absonderlich bis abscheulich finden, dass
Clement eine Woche vor der Hessenwahl die Energiepolitik der 
SPD-Spitzenkandidaten Ypsilanti kritisiert. Mag sein, dass die 
Energiepolitik der SPD im Allgemeinen und die von Andrea Ypsilanti im
Speziellen Schwachstellen aufweist. Aber Clements indirekte 
Wahlempfehlung für den Christdemokraten Roland Koch ist kein 
Ausreizen innerparteilicher Meinungsvielfalt - es ist nichts anderes 
als ein stilloser Affront gegenüber den eigenen Mitstreitern. Der 
heutige RWE-Aufsichtsrat Wolfgang Clement, der immer ein 
spannungsreiches Verhältnis zu seiner Partei gepflegt hat, hat sich 
damit endgültig von der politischen Bühne verabschiedet - dazu bedarf
es keines formellen Ausschlussverfahrens mehr.
Clements Frontalangriff geht weit über das hinaus, was die große 
SPD aushalten muss. Flügelkämpfe gehören zum Inventar aller 
Volksparteien. Linke und konservative Kreise, Netzwerker und 
Parlamentarier-Clubs: Auch die SPD, die mit der Verabschiedung des 
Godesberger Programms im Jahr 1959 den Wandel von der marxistischen 
Arbeiter- zur Volkspartei vollzogen hat, ist durchsiebt von Gruppen 
und Grüppchen, die einander kritisch beäugen.
Gerhard Schröders Agenda 2010 bleibt auf absehbare Zeit die 
Sollbruchstelle in der SPD. Auf die damit einhergehende Reform des 
Sozialstaats und den Druck von der Linkspartei reagierte die 
Parteimehrheit auf dem Hamburger Parteitag mit einem Linksruck - was 
wiederum Wirtschaftsfundis wie Wolfgang Clement und andere 
provoziert. Auch Peer Steinbrücks Breitseite gegen die 
innerparteilichen "Heulsusen" ist in guter Erinnerung. Der 
Nach-Schröder-Zwist ist noch nicht ausgestanden.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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