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WAZ: Gute Idee, miserabel umgesetzt: Die Eltern sind sauer über Turbo-Abi - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Die Empörung der Eltern ist groß, berechtigt und
kostet, dass nur nebenbei, am Sonntag womöglich einen 
Ministerpräsidenten das Amt. Die Idee, in acht Jahren unsere Kinder 
bis zum Abitur zu führen, ist völlig richtig. Deren Umsetzung aber 
ist, sagen wir es, wie es ist: ein Skandal.
Die Kinder verlassen jetzt im Winter im Dunkeln das Haus und 
kommen heim, wenn es bald schon wieder dunkel wird. Sie haben sieben,
acht, neun Stunden Schule hinter und die Hausaufgaben noch vor sich. 
Zeit zum Spielen? Zeit zum Lesen? Gibt's nicht mehr. Das ist völlig 
daneben. Kinder zu fordern, gerade in Zeiten, in denen Wissen so 
schnell veraltet wie noch nie in unserer Menschheitsgeschichte, ist 
ohne Alternative. Aber Kinder planlos zu überfordern, ist fahrlässig 
und führt wahrscheinlich zur Verkehrung der gut gemeinten Absicht in 
ihr Gegenteil. Irgendwann ist der Kopf und der Akku eben nur noch 
leer. Jedenfalls zu leer, um noch mitzumachen in einer Theater-AG. 
Oder mit den Kumpels noch eine Stunde Fußball zu spielen.
Was muss nun passieren? Die Debatte muss im Licht der Erfahrungen
noch einmal völlig von vorne anfangen. Wobei das Ziel nicht sein 
kann, wieder auf neun Jahre bis zum Abi zu gehen. Aber: Die Lehrpläne
müssen auf den Prüfstand. Den Stoff von neun Jahren einfach auf acht 
Jahre zu verteilen, ist nicht nur fantasie-, sondern auch 
verantwortungslos. Zu einfach erscheint auch der Hinweis von 
Lehrerverbänden, wenn man weniger unterrichte, führe dies automatisch
zu Qualitätseinbußen. Das wollen wir doch erst mal sehen. Wenn man 
schon die Inhalte prüft, kann man das doch auch mit den Methoden 
machen. Wie wäre es mit einem offenen Ideenwettbewerb um den besten 
Unterricht der Zukunft?
Und selbstredend brauchen wir Ganztags-Gymnasien. Seltsam, dass 
es sie noch nicht gibt. Die Union will sich nicht unter Zeitdruck 
setzen lassen. Zu spät, CDU: Der Druck ist längst da. Er kommt auch 
nicht von der SPD, sondern von den Eltern. Eine Anmerkung noch zur 
Politik. Wir würden ja gerne mal was Positives schreiben, aber: Das 
war einfach nur dilettantisch. Wer so eine einschneidende Maßnahme 
beschließt, ohne die absehbaren Folgen mitzubedenken und gleich zu 
berücksichtigen, der hat einfach nur einen schlechten Job gemacht. 
Also: an die Arbeit.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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