Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Nach den Landtagswahlen: Die Schwäche der SPD hilft der Linkspartei - Leitartikel von Norbert Robers
Essen (ots)
Die Wählerinnen und Wähler haben es den Parteien und Wahl-Analytikern nicht leicht gemacht. In Niedersachsen liegt die CDU trotz leichter Verluste deutlich vor der schwächelnden SPD - in Hessen ist die Union dagegen in spektakulärer Weise abgestürzt, während sich die Sozialdemokraten wieder an die Spitze gesetzt haben. Die SPD ist der gefühlte Sieger dieses Abends. Aber nur, weil die Republik in ihrer Aufmerksamkeit allzu sehr auf den hessischen Ministerpräsidenten Koch fixiert war - diese Interpretation greift jedoch zu kurz.
Keine Frage: Roland Koch ist der große Verlierer. Es stimmt zwar, dass Hessen ein traditionell eher sozialdemokratisches Land ist und die Mehrheitverhältnisse immer knapp ausfielen. Aber zweistellige Verluste kann man nicht schön reden. Roland Koch ist seine Kronprinzen-Rolle vorerst los - seine breite Brust ist schmaler geworden.
SPD-Herausforderin Andrea Ypsilanti ist die strahlende Siegerin. Die SPD-Strategen werden aber nach ein oder zwei durchfeierten Nächten schnell zu der Erkenntnis gelangen, dass es zwar klug war, junge Menschen und vor allem Frauen anzusprechen -, dass Andrea Ypsilanti aber andererseits mindestens ebenso stark von den katastrophalen Sympathiewerten Kochs und der starken Wechselstimmung profitiert hat.
Die Doppel-Wahl hat den Trend der vergangenen Jahre bestätigt: Themen sind wichtig, Persönlichkeiten sind wichtiger. Der niedersächsische SPD-Herausforderer Wolfgang Jüttner und Andrea Ypsilanti haben sich beide für einen flächendeckenden Mindestlohn stark gemacht - aber nur in Hessen hat diese Taktik gefruchtet. Weil Koch nicht mehr aus der Rolle des mutmaßlich ungerechten Polarisierers herauskam, während der niedersächsische CDU-Ministerpräsident Christian Wulff eben auch für Gerechtigkeit und Ausgleich steht.
SPD-Chef Kurt Beck hat gute Gründe, sich über Andrea Ypsilantis Erfolg zu freuen. Die Sozialdemokraten sind seit Jahren im Stimmungs-Keller - jeder Prozentpunkt mehr tut gut. Aber Kurt Beck würde scheitern, wenn er sich persönlich und seiner Partei den Ypsilanti-Kurs und die Ypsilanti-Themen als Blaupause für die Bundestagswahl 2009 verordnen würde.
Die SPD hat seit gestern Abend ein weiteres, ein sehr ernstes Problem. Die Wahl in Niedersachsen hat bewiesen, dass die Linke gnadenlos in sozialdemokratische Lücken hineinzugrätschen vermag. Die Linke ist als Ergebnis der SPD-Schwäche im Westen angekommen.
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