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WAZ: Berlin lässt Washington abblitzen - Ein Basta allein reicht nicht aus - Leitartikel von Ulf Meinke

Essen (ots)

Es scheint, als habe die Bundesregierung geradezu
auf eine passende Gelegenheit gewartet, den USA aus deutscher Sicht 
die Grenzen beim Einsatz in Afghanistan aufzuzeigen. Ansonsten lässt 
es sich kaum erklären, warum die Regierung derart empfindlich auf 
eine amerikanische Anfrage reagierte, die zeitgleich alle 25 
Nato-Verbündeten erreicht hatte. Während etwa in Paris von einem 
"sehr höflichen" Brief die Rede war, ließ Berlin die Amerikaner 
kurzerhand und recht unhöflich abblitzen.
Des Beifalls nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern auch von 
Seiten der rot-gelb-grünen Opposition konnte sich die Bundesregierung
nach ihrem Basta sicher sein. Eine Absage an Washington ist populär, 
weil sie scheinbar Souveränität beweist und Selbstvertrauen 
demonstriert. Das prompte Nein erinnert allerdings auch an die 
Schwächen des deutschen Einsatzes am Hindukusch, denn es illustriert,
wie groß die deutsche Sorge ist, noch tiefer in einen Konflikt 
hineingezogen zu werden, der sich womöglich letztlich nicht 
beherrschen lässt.
Immerhin stellt Deutschland mit derzeit etwa 3200 Soldaten das 
drittstärkste Kontingent in Afghanistan. Auch sieben Jahre nach dem 
Beginn des Einsatzes ist die Region weit entfernt von stabilen 
Verhältnissen. Tödliche Anschläge sind Alltag, die Taliban längst 
nicht besiegt. Deutschland muss also zu seiner Verantwortung in der 
Krisenregion stehen. Schon allein eigene sicherheitspolitische Motive
sprechen dafür. Die afghanische Bevölkerung beim Aufbau von Polizei, 
Justiz und Armee zu unterstützen, muss dabei eine entscheidende Rolle
spielen, denn eine rein militärische Lösung des Afghanistan-Konflikts
gibt es nicht.
Im Übrigen wäre es politisch nicht zu vermitteln, deutsche 
Soldaten Gefahren auszusetzen, die Folge einer verfehlten 
amerikanischen Militärstrategie sind. Die Bundeswehr befindet sich 
ohnehin an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Deshalb ist es richtig, 
dass die Bundesregierung die Entsendung deutscher Soldaten in den 
Süden ablehnt. Doch die Absage an Washington sollte nicht von den 
Problemen ablenken, vor denen die internationale Gemeinschaft in 
Afghanistan steht. Viel zu defensiv hat auch die Bundesregierung 
diskutiert, welche Strategie und welchen Zeitplan sie in Afghanistan 
verfolgt. Die Staatengemeinschaft muss mittel- bis langfristig 
erreichen, dass ihre Soldaten nicht mehr am Hindukusch gebraucht 
werden. Um an dieses Ziel zu gelangen, ist eine schonungslose Analyse
der aktuellen Lage notwendig. Vor einer unangenehmen Bestandsaufnahme
sträubt sich aber nicht zuletzt die deutsche Regierung.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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