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WAZ: Berlin, Vaduz, Millionäre, BND . . .: Was wir nun wissen. Und was nicht - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Seit gestern wissen wir mehr. Etwa, dass zwischen
Deutschland und Liechtenstein wieder Diplomatie herrscht statt 
Krawall. Wir wissen, dass wir nicht wissen, ob Liechtenstein nicht 
doch für zwielichtige Gestalten Fluchtpunkt bleibt.
Wir wissen, dass wir gar nicht wissen, ob unser Staat sich diese 
CD für ein paar Millionen Euro kaufen durfte. Ebenso unklar ist, ob 
das, was man darauf findet, vor Gericht verwendet werden darf. Aber 
kurz vor der Wissens-Schwelle ahnen wir schon, dass genau diese 
brisanten Fragen nicht in Berlin, sondern in Karlsruhe geklärt 
werden.
Denn man kann Verständnis haben für das Verhalten des deutschen 
Staates in dieser Mega-Affäre. Aber die halbamtliche Erklärung, der 
Staat habe doch ein lohnendes Geschäft mit dem Kaufen von Hehlerware 
gemacht, ist doch wohl allzu flapsig. Das sehen augenscheinlich nicht
nur Anwälte so, die sich nun darauf freuen, die steuerflüchtigen 
Millionäre zu verteidigen. Aufschlussreich ist, dass das 
Bundesjustizministerium schon mal vorsorglich mitteilen ließ, es sei 
vor dem Datenkauf nicht gefragt worden. Warum sagen die das wohl? 
Eben: Die Angelegenheit ist den Regierungs-Juristen nicht nur nicht 
geheuer, sondern allzu verdächtig. In der Tat: Hat es, einmal 
abgesehen vom Agenten-Austausch auf der Potsdamer Glienicker Brücke 
in dunklen Zeiten damals, schon vergleichbare schale "Deals" gegeben?
Hätten wir nicht eine Große Koalition, ein Untersuchungs-Ausschuss 
wäre wohl schon eingerichtet worden.
Wir wissen, dass härtere Strafen bei Steuerhinterziehung zwar 
populär sind, aber wenig bringen. Die Höchststrafe lautet: zehn 
Jahre. Sie ist bislang noch nicht ausgesprochen worden. Desweiteren 
ist der Verzicht auf gerichtliche Geschäfte - Verfahren einstellen 
gegen hohe Geldbuße - zwar gleichfalls ganz in Volkes Sinne; aber 
wohl doch praxisfern. Die Gerichte sind schon heute überfordert. Wie 
sollten sie, ohne solche Geschäfte zum gegenseitigen Nutzen, eine 
Fülle derart komplexer Verfahren bewältigen? Wir wissen, dass, etwa 
in Nordrhein-Westfalen, sogar noch Steuerfahnder abgebaut wurden. Wir
wüssten gerne, weshalb.
Wir wissen, dass man nicht mit Steuerhinterziehung oder 
Schwarzarbeit verstoßen darf gegen Gesetze, selbst wenn diese 
schlecht sind. Aber schlechte Gesetze sind schlechte Gesetze. Und wir
sollten es der Politik nicht durchgehen lassen, sich unter Absingen 
schmutziger Lieder aus der Verantwortung dafür zu schleichen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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