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WAZ: Das Aus für den Transrapid - Nach den Regeln der Flopologie. Leitartikel von Christopher Onkelbach

Essen (ots)

Hermann Kemper aus Osnabrück erhielt 1934 das
Reichspatent Nr. 643316 für eine "Schwebebahn mit räderlosem 
Fahrzeug, die an eisernen Fahrschienen mittels magnetischer Felder 
schwebend entlang geführt wird". Kemper hatte sich über das Geratter 
der Züge geärgert und sich Gedanken über eine lautlose Alternative 
gemacht. Anfang der 70er Jahre sauste das Reichspatent als Transrapid
über die Testbahn. So lang ist das schon her!
Transrapid - tolle Sache: Die Idee überzeugt, die Technik 
fasziniert, und sie funktioniert prima. Die Magnetbahn traf auf die 
technikgläubige Nation der Nachkriegszeit. Alles schien machbar, 
jedes Problem durch Ingenieurskunst lösbar, sie beflügelte die 
Fantasie von Politikern und Bürgern, keine Vision einer modernen 
Stadt kam ohne die Magnetbahn aus. Doch sie floppte. Warum?
Weil sie zu teuer war, weil sie zu spät kam, weil andere 
Technologien sie eingeholt hatten, weil sie nicht gebraucht wurde. 
Stattdessen wurde die Magnetbahn zum Symbol erhoben. Zum Symbol der 
technischen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Und das hatte schon was,
damit ließ sich Staat machen: Die einzige einsatzfähige Magnetbahn 
der Welt! Allein der Symbolwert hielt sie so lange am Leben, 
künstlich beatmet von Milliarden Steuer-Euros. Und deshalb ist nach 
dem Aus für den Transrapid der Katzenjammer nun so groß.
Die Liste hoffnungsvoller und überzeugender, jedoch schließlich 
gefloppter Erfindungen ist lang. Das Riesenwindrad Growian gehört 
dazu. Nach dem Motto "größer ist besser" sollte es 100 Meter hoch 
werden und eine gigantische Leistung aufweisen. Die Ingenieure 
bekamen die Probleme nicht in den Griff, das Ding wurde demontiert. 
Ähnlich erging es dem Cargolifter, einem neuartigen Lastenzeppelin, 
der über unwegsamen Gebieten schwere Güter absetzen sollte - eine an 
sich gute Idee. Auch die Brütertechnologie in der Kerntechnik 
bereichert den Friedhof der Innovationen.
Innovationen lassen sich nicht planen. Scheitern, nicht Erfolg, 
ist der Regelfall. Das lehrt die "Flopologie", ein eher übersehenes, 
jedoch nicht unwichtiges Teilgebiet der Technikgeschichte. Studien 
zeigen, dass in der Industrie etwa 85 Prozent der Entwicklungszeit 
auf Produkte verwendet wird, die nie auf den Markt kommen. Warum wir 
davon nichts hören? Scheitern ist nicht sexy, Unternehmen verweisen 
lieber auf ihre Erfolge. Doch was klüger macht, sind Miss-erfolge. 
Und sei es nur die Erkenntnis, dass es gescheiter gewesen wäre, beim 
Transrapid den Stecker schon früher zu ziehen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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