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WAZ: Bush, Berlin und die Nato - Washingtons Provokation - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Was können die Ukraine oder gar Georgien tun, um
Deutschlands Sicherheit zu verbessern? Eben: wenig bis nichts. 
Weshalb sollte man diese beiden Länder dann aufnehmen in ein Bündnis,
das auf gegenseitiger Hilfeleistung beruht?
Außenpolitik ist Interessenpolitik. Immer. Es geht nicht um 
Menschenfreundlichkeit, aber auch nicht immer gleich um 
wirtschaftliche Fragen (Öl etwa). Deshalb hat die Bundesregierung 
recht, wenn sie den Amerikanern widerspricht, die die Ukraine wie 
Georgien in die Nato holen wollen, und das auch noch hopplahopp. Sie 
liegt auch richtig, wenn sie sich in diesem Fall an die Seite 
Russlands stellt: Weshalb sollte es im deutschen Interesse liegen, 
der abermaligen Provokation Russlands durch die Bush-Administration 
zu folgen? Die bewährte und historisch folgerichtige Doktrin 
deutscher Außenpolitik - im Zweifel für Amerika - wird nicht dadurch 
außer Kraft gesetzt, dass sich Berlin in einem besonderen, wenn auch 
wichtigen Fall, gegen die USA entscheidet.
Denn, andererseits: Was sind die Interessen der USA? Gerade die 
Bush-Administration sieht die Nato nicht als Gemeinschaft von 
Gleichen, sondern als ihr Werkzeug. Die Nato soll den Einflussbereich
der USA ausdehnen. Und bezüglich Russlands ist es im Prinzip nichts 
anderes als die alte Eindämmungspolitik ("Containment") aus der 
Blockkonfrontation der Nachkriegszeit im modernisierten Gewand. Nur: 
Ist das noch zeitgemäß, nachdem der Eiserne Vorhang längst gefallen 
ist? Das typische russische Säbelrasseln täuscht auch nur über die 
Frage hinweg: Bedrohen die Russen eigentlich noch den Westen, nur 
weil sie über Panzer verfügen und Atomraketen? Und welche Waffen 
Putins oder Medwedews stellen eine größere Herausforderung für 
westliche Länder dar: Öl oder Raketen?
Deutschland, Frankreich, Italien haben schnell durchschaut, dass 
der amerikanische Vorstoß vor allem eine Machtdemonstration 
darstellt, mithin eine Provokation. Die USA können die Erweiterung 
der Nato nicht im Alleingang durchsetzen. Darum die eigentliche 
Frage: Wer muss sich eigentlich durch Washington mehr herausgefordert
fühlen: Russland oder Amerikas Verbündete, also wir?
Eins ist jedenfalls jetzt klar: Die Nato wird, ernsthaft erst 
nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl, über sich selbst reden 
und wieder einmal neu entscheiden müssen. Leicht wird das nicht. Ganz
gleich, wer auf Bush folgt. Sie oder er wird der Strategie folgen: 
Amerika zuerst.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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